Die Seele winzig und verängstigt... Bottle, ein Batteriehuhn...

Ich bin schon vor über 40 Jahren gegen die Legebatterien zu Felde gezogen. Es gibt sie immer noch. Was als Bodenhaltung, ja selbst als Bioei, verkauft wird verbirgt noch immer die Zusammenpferchung tausender Tiere unter Bedingungen die das Tierschutzgesetz eigentlich verhindern müsste. Aber die Gesetze lassen Schlupflöcher ohne Ende. Die Massentierhaltung hat ein so frevelhaftes Ausmaß angenommen dass man als Mensch nur noch schamvoll das Haupt verhüllen kann. 

 

Bottles Geschichte ist eine von vielen. 

Und sie hat mir fast das Herz zerrissen...

Aus unserem Teamtagebuch:

BOTTLE - 4 WOCHEN LEBEN

 

Anfang Oktober bekamen wir einen Anruf. Eine Henne war auf einer Autobahnraststätte gefunden worden. Offensichtlich verletzt lag sie dort auf einem Grünstreifen zwischen den LKWs im Regen. Eine Frau hatte sie beim Flaschensammeln gefunden….

Ihr rechtes Bein war gequetscht und gebrochen. Vermutlich hatte der Fahrer ihres Transports sie auf dem Weg zum Schlachthof bei einer Pause hier abgelegt. Vielleicht war sie nicht richtig verpackt worden, in der brutalen Hektik der Ausstallung irgendwo eingequetscht, nicht richtig in der Transportbox, irgendwo auf dem Lkw eingeklemmt… so muss der Fahrer sie entdeckt, auf dem Rastplatz abgelegt und zurückgelassen haben.

Und so kam sie zu mir.

Bottle.

Verstört und voller Angst, hungrig und durstig, die spärlichen Federn vom Regen durchnässt, zitternd, das Bein schwer verletzt…. Ein großes, schweres Huhn, die Seele winzig und verängstigt.

Vermutlich war Bottle ein Elterntier aus einem Zuchtbetrieb für Masthühner. Diese Elterntiere legen Eier, die ihnen genommen werden, um sie anschließend in den Brütereien maschinell ausbrüten zu lassen. Die geschlüpften Küken werden in die Mastbetriebe gebracht und wachsen dort mutterlos heran, bis sie im Alter von 30-36 Tagen ihr Schlachtgewicht erreicht haben, geschlachtet und dem Menschen als Brathähnchen, zerstückelt als Hühnerbrust, Chickenwings und Frikassee, zermalmt und gepresst als Geflügelwurst, Chicken Nuggets usw. verkauft werden.

Wie viele Eier Bottle schon gelegt hatte, wie viele ihrer Küken, von denen sie nicht ein einziges kennenlernen durfte, getötet wurden, ehe sie selbst aussortiert und auf einen Schlachttransport geschickt wurde, weiß ich nicht.

 

Hühner sind naturgemäß hingebungsvolle Mütter. Nach dem Schlupf ihrer Küken würden sie sie schützen, führen und behüten und hätten sie dabei bis zu 6 Wochen unter ihren Fittichen.

Ein Masthuhn wird bereits mit 4-5 Wochen geschlachtet und vom Menschen verzehrt. Masthühner sind mutterlose Küken in monströs gezüchteten Körpern, mit Knochen, die dem abnormen Muskelwachstum und Gewicht nicht standhalten können.

 

4 WOCHEN lebte Bottle bei mir. Sie verstand schnell, dass ihr nichts Böses mehr geschehen würde. Ihr Fuß war so unglücklich gebrochen, direkt am Gelenk, dass man den Bruch nicht operieren konnte. Sie bekam einen festen Stützverband und wir hofften und warteten, dass die Knochen so wieder verheilen würden.

4 WOCHEN. Wenn ich mich an sie erinnere, erscheint es mir viel mehr. Sie war immer um uns, in ihrem Krankenlager in der Küche. Leise schnatternd, sobald sie mich hörte oder sah, und immer freudig ein paar Leckerchen erwartend. Sie liebte es, gekrault zu werden. Ihre hellbraunen spärlichen Federn, darunter die seidige, warme Haut.

4 WOCHEN im goldenen Oktober. Auf dem Balkon in ihrem Rollstuhl, neugierig, interessiert an der Welt, die sie nun kennenlernte, immer gutmütig und gut gelaunt.

Und sie liebte den Garten und tapste dort umher, ein paar Schritte mit ihrem “Gehgips”, dann badete sie in der warmen Herbstsonne, zupfte im Liegen das Gras und gurrte zufrieden.

 

4 GEMEINSAME WOCHEN. Dann musste ich sie gehen lassen. Beim dritten Verbandswechsel zeigte das Röntgenbild, dass die beschädigten Knochen nicht wie erhofft, aufeinander zu wuchsen, sondern sich ein Teil des Knochens auflöste. Hinzu kam ihr Kniegelenk, dass ihrem Körpergewicht nicht standhalten konnte. Es luxierte, die Bänder und Sehnen wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Sie würde nie laufen können, beide Gelenke waren irreparabel beschädigt.

So ließ ich Bottle gehen. Nach 4 WOCHEN LEBEN. Vielleicht ging sie gleichzeitig mit den letzten ihrer Küken, die namenlos irgendwo in einem Schlachthof am Band starben, die mutterlos geschlüpft waren aus den letzten Eiern, die Bottle im Elterntierbetrieb gelegt hatte. Ihre Küken, die mit Millionen anderer Waisenküken diese 4 Wochen in einem Mastbetrieb verbracht und dann auf einem Transport in den Tod geschickt worden waren. 

 

Ihre Mutter aber kannte die Sonne, das Gras, das Gefühl, gestreichelt, getröstet und geliebt zu werden. 

4 LANGE WOCHEN. Sie wird ihren Kindern im Himmel, wo auch immer der ist, davon erzählen. Das weiß ich.

 

Meine liebe Bottle. Mach es gut.

Deine Steffi

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