Nibelungen

Zweiter Teil

Die Zusammenfassung in Kurzform:

Und so geht's weiter...

 

Der allgemeine Sprachgebrauch - vor allem der Cineasten- spricht von "Kriemhilds Rache".

Hans Ulrich hätte es niemals so platt ausgedrückt. Er nannte sein Werk  "der nîbelunge nôt" - wobei es dringend der Klärung bedarf wer jetzt bitte schön die Nibelungen sind... und warum.

Wir erinnern uns der Brüder, denen der Hort ursprünglich gehörte, die Söhne des Herrn Nîbelunc. Das waren die Ur-Nibelungen. Als Siegfried den habgierigen Gesellen den Garaus machte und sich den Hort aneignete, samt Tarnkappe (der Alberich immer noch hinterher schluchzt) wurde er zum Nibelungen. 

Und als die Burgunden den Schatz "übernahmen" wurden sie es. Sie waren nun die Nibelungen. Allesamt. Auch Hagen.

So geht das.

Aber ich nenne sie nicht so.

 Der Heide aus dem Hunnenland 

Man nehme einen der gefürchtetsten Gesellen des frühen Mittelalters, der mit seinen Reiterscharen im 5. Jhr. fast ganz Europa überrannt hat, nehme ihm die Schlitzaugen und seine nimmermüden Ponys, entferne sämtliche Reißzähne, baue ihm eine schöne Burg irgendwo in Ungarn und geselle ihm eine gütige Frau an die Seite: fertig ist der gute König Etzel, Herr eines gewaltigen Reiches.

Das Reich hatte er tatsächlich, auch als er noch ein Tiger mit Klauen und Zähnen war und Attila hieß, genannt die Geißel Gottes - was immer der sich bei seiner Erschaffung auch gedacht hat.  Am linken Ufer der Seine - und nicht, wie später überliefert, auf den Katalaunischen Feldern -  musste er 451 gegen den römischen Feldherrn Aëtius und Ostgotenkönig Theoderich I. das Feld räumen und sich zurückziehen.

Er starb 453, angeblich in seiner Hochzeitsnacht mit dem Germanenmädchen Hildico,  an einem Blutsturz. Sein "gewaltiges" Reich überdauerte ihn kaum 20 Jahre, sein Nimbus dagegen die Jahrhunderte. 

 

Nun mache man aus der Germanin Hildico die Burgundin Kriemhild, die Witwe des ruhmreichsten Helden, der je im Drachenblut gewatet ist, raffe die gütige Gemahlin Etzels dahin und lasse ihn nach einer neuen würdigen Gattin Ausschau halten.

Da bleibt ja in ganz Europa nur Kriemhild übrig.

Auch wenn wir staunen, dass ein heidnischer König sich mit nur einer Ehefrau zufrieden gibt. Tat der historische Attila ganz sicher nicht.

So gruselig wie Fritz Lang ihn verfilmt hat, bei dem die Hunnen offenbar gerade von den Bäumen herunter gefallen sind, hat ihn sich Hans Ulrich ganz sicher nicht vorgestellt. Das hätte er Kriemhild nicht angetan. Schlimm genug dass Ehemann II ein Heide ist - (was ihr anstandshalber eine schlaflose Nacht beschert und sie auch später noch ab und zu murren lässt, aber keine wirkliche Rolle spielt) - einem uralten Halbwilden mit Narbengesicht hätte er sie nicht ins Bett gelegt.

Etzel ist ein mächtiger König - und eine verflucht gute Partie. Also denken wir ihn uns so wie er in zahlreichen Sagen dargestellt wird: edel, würdig, gerecht, freundlich -  und noch voll Saft und Kraft. Schließlich zeugt er 7 Jahre später sogar ein Kind, was Fritzens Tattergreis vermutlich nicht mehr so recht gelungen wäre.

Im Übrigen war Attila, Etzels Blindvorlage, bei seinem Tod etwa 53.

Also. 

Die Witwe des gewaltigen Siegfried wird dem verwitweten,  gewaltigen Hunnenkönig von seinen Vasallen schmackhaft gemacht - insbesondere von einem: dem Markgrafen Rüdeger von Bechelarn, der erklärt die Dame schon zu Kinderzeiten gekannt zu haben. 

Also schickt Etzel ihn, mit entsprechend prachtvollem Gefolge, als Brautwerber nach Worms, um der Witwe den Witwer ebenfalls schmackhaft zu machen.


Zunächst aber bekommt der es mit den drei Nullen zu tun.

Die sind entzückt.

Und mit Hagen.

Der ist es nicht.

Die Herren von Worms und ihr Oheim geraten sich höllisch in die Haare und Hagen begeht den Fehler anzudeuten wieviel Hass Kriemhild empfinden muss - und zwar gegen sie alle - und dass es schlichtweg Wahnsinn wäre ihr ein Machtinstrument wie die Königswürde eines mächtigen Reiches in die Hand zu geben.  Davon wollen die drei nichts hören. Hagen allein wird von der Schwester gehasst, nicht die "schuldlosen" Brüder.

Das glauben sie wirklich, aber sowohl Hagen als auch sie greifen viel zu weit voraus, denn noch hat Kriemhild keine Meinung geäußert. 

Kann sie auch gar nicht, denn sie weiß noch nichts.

Und als sie es erfährt weigert sie sich rundheraus.

Aber die Höflichkeit gebietet dass sie Rüdeger zumindest empfängt.

Und als er ankommt legt er ihr alles zu Füßen: zwölf Kronen, dreißig (unterworfene) Fürsten, alle Herrschermacht auf Erden, einen edlen und guten Ehemann, der ihr alle seine Schätze bietet undsoweiter undsoweiter...

Und als letzten Trumpf schwört er den Eid ihr zu dienen und jede Kränkung zu rächen.

Und da - und wirklich erst da! - kommt der Gedanke wie ein Krake aus der Tiefe, dass sie noch jede Menge Rechnungen zu begleichen hat und ihr hier die Gelegenheit dazu geboten wird...

Und sie gibt ihr Jawort. Nach immerhin vier Tagen.

Rüdeger kann nicht über die Umstände von Siegfrieds Tod Bescheid gewusst haben. Er wäre vielleicht vorsichtiger gewesen.

 

Nun ist die Sache also in trockenen Tüchern und Rüdeger  will keine Zeit mehr verplempern, also gibt er der neuen Herrin viereinhalb Tage Zeit zum Packen. Und siehe da - aus irgendeiner Besenkammer kramt diese noch einen beträchtlichen Teil des Nibelungenschatzes hervor - 100 Rosse hätten das kostbare Gut nicht tragen können, man staune - und sämtliche, seit Jahren verschlossene, Truhen werden geöffnet um sie und ihr Gefolge angemessen auszustatten. Hagen staunt auch und macht schon wieder Anstalten zu einem weiteren Raubzug, um sich auch noch diesen kleinen Rest anzueignen. Vielleicht als Ersatz für die Massen die im Rhein liegen. Diesmal greift Gernot ein und verhindert den Raub, um ihn dafür den Gästen anzubieten. Und Rüdeger weist ihn zurück. Alles über Kriemhild hinweg.

Die hat allerdings ein paar taffe Mädels, die bereits die Schränke ausgeräumt und 12 Kisten mit Gold und Schmuck gefüllt haben - und die werden auch tatsächlich  verladen. 

Dann wird zum Aufbruch geblasen. Gernot und Giselher begleiten die Schwester bis zur Grenze. Gunther nur bis zur Stadtmauer und Hagen überhaupt nicht. 

 Da der überwiegende Teil der Reise an der Donau entlang führt wundert es - zumindest mich - dass man nicht per Schiff gereist ist. 

Aber vermutlich hätten hunderte Pferde nicht drauf gepasst.

Also ging es - vermutlich wochenlang - staubend hoch zu Ross durch die Lande, nach Passau, über Bechelarn nach Tulln - eine Gegend in der sich Hans Ulrich um einiges besser auskannte als am Rhein.

Dort wartet Etzel, mit hunderten Fürsten und Gefolgsleuten, um seine neue Königin - die ihn selbstverständlich über alle Maßen entzückt - in sein Reich zu geleiten. Sie - königlich ausstaffiert - entzückt ihn so sehr, dass Rüdeger eingreifen muss um zu verhindern, dass der König  vorzeitig zu seiner Erwählten ins Ruhelager hüpft.

Muss alles seine Ordnung haben.

Mal kurz Kopfrechnen: mit 12 Jahren waren Mädchen heiratsfähig. Geben wir drei Anstandsjahre hinzu, war Kriemhild bei der Hochzeit mit Siegfried etwa 15 jährig. 10 Jahre später, bei seinem Tod, also 25. Nach  13 Jahren Witwentum ist sie nunmehr  38. 

 

In der mittelalterlichen Vorstellungswelt taumelt sie demnach bereits am Rande des Grabes.

Aber um Zahlen schert sich Hans Ulrich einen Deubel. Kriemhild ist kein Mädchen mehr, sondern eine, zwar reifer gewordene, aber unverändert wunderschöne Frau.

Und basta.

Abgesehen davon - wollte man diesen Zeitangaben folgen wäre Etzel ein wahrer Methusalem, wie wir noch feststellen werden. Wir stellen ihn uns aber lieber jugendlich und schnuckelig vor.

Kriemhild, leicht geneigten Hauptes und mit verhaltenem Mona Lisa Lächeln, ist einfach hinreißend anzusehen;

In Tulln steht ein Denkmal das die Begegnung der beiden in Szene gesetzt hat. 

Ich habe es leider nie gesehen, aber ich finde es meisterhaft.

Die beiden stehen einander seit 2005  gegenüber und Hans Ulrich würde vermutlich Freudentränen vergießen, wie ehrenvoll  seiner Dichtung  gedacht und Leben eingehaucht wurde.

Etzel, hochgewachsen, tadellos frisiert, jeder Zoll ein Krieger, ein König und ein Mann, ist ein Typ der in jeder Dating website punkten würde - also ich hätte ihn auch genommen... 

 


Hunnische Königin

Es wird also Hochzeit gehalten und Etzel lässt sich nicht lumpen. Kriemhild auch nicht. Beide schmeißen das Gold unters Volk wie die Narren im rheinischen Karneval die Kamellen. Es kann anschließend keinen einzigen Bettler im gesamten Reich mehr gegeben haben. 17 Tage geht die Völlerei, dann bricht man mit gewaltigem Gedöns - und weiter Gold um sich werfend - nach Etzelburg auf, wo auch immer es gelegen hat. Irgendwo in Ungarn.

Ist so ein fiktiver Palast wie Camelot, das auch immer noch gesucht wird.

 

Stellen wir uns einfach vor, Etzelburg läge tatsächlich idyllisch an der Donau, wie die Burg die später Gran genannt wurde... 

 

dann hatte sie vielleicht wunderbare Fresken und Malereien an den Wänden. Wie die Bilderburg Runkelstein bei Bozen...


Gekrönt wird Kriemhild natürlich auch, aber  vermutlich setzt man ihr nicht alle zwölf Kronen, über die Etzel verfügt, gleichzeitig aufs Haupt.

 

Er gibt ihr eine Machtfülle  die sie, wie Hans Ulrich bemerkt, nicht einmal als Siegfrieds Gemahlin besaß. Verhauen hat er sie auch nicht, denn er ist total vernarrt in sie. Eigentlich - so sollte man denken - hat sie sich rundherum verbessert. 


 Aber - 13 Jahre Ohnmacht und sinnlose Trauer haben sie innerlich vergiftet.

 

Sie erfüllt ihre Pflichten, als huldreiche und von allen geliebte Königin ebenso wie als Gattin - also im Bett, was ja offenbar immer die beste Methode zu sein scheint sich einen Mann geneigt zu halten - und schenkt ihm im siebten Ehejahr einen Sohn. Wie es sich gehört.

Er heißt Ortlieb. Und wird sogar getauft.

Sie erweist ihrem Gemahl darüber hinaus allen ihm zustehenden Respekt, denn er hat ihr schließlich alles zurück gegeben was ihre Sippe ihr genommen hat  - außer einem. Und von dem träumt sie weiterhin.

 

Und sinnt auf Rache. Weitere 13 Jahre lang.

Inzwischen ist sie 51.

Will gar nichts heißen, weder für Hans Ulrich noch für uns. Alienor von Aquitanien wurde 82, (nach einem äußerst abenteuerlichen Leben, in dem sie sogar per Kreuzzug ins Heilige Land ritt und nach 10 Schwangerschaften!) und überlebte noch ihren sehr viel jüngeren zweiten Gatten, der sie überdies noch 15 Jahre lang eingesperrt hatte. Eine absolute Wahnsinnsfrau.  Adelheid von Burgund, Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches , erreichte 67 oder 68,  Mathilda von England schaffte immerhin die 65. Und die rothaarige Elizabeth I. wurde 70, aber es gab bestimmt noch mehr.

In diesen 13 Ehejahren hat sie sich eine solide Machtbasis geschaffen, und eine erkleckliche Schar treu ergebener Gefolgsleute um sich geschart.

Hans Ulrich bemerkt: "Nu het si wol erkunnen daz ir níemen widerstount..." dass es niemand wagen würde ihr zu widerstehen - schon gar nicht mit der Gunst des Königs in ihrem Rücken. 

Also tritt sie mit der Bitte an ihn heran ihre Sippe einladen zu dürfen. 

Im Bett natürlich.

Denn er liebt sie wie sein Leben. Vermutlich noch mehr. Und ist bestürzt dass er nicht schon von selbst auf diesen Gedanken gekommen ist, sodass sie nicht mal eine offene Tür eintreten muss, weil gar keine da ist.

Selbstverständlich erfüllt er ihre Bitte und leitet umgehend alles in die Wege.

"getriuwe was sín muot" stellt Hans Ulrich fest, das soviel heißt dass er edlen und treuen Sinnes ist. 

Ganz im Gegenteil zu seiner Ehefrau, von der  Hans Ulrich tadelnd sagt, dass der Teufel ihr geraten habe.

Etzel schickt Spielleute an den Wormser Hof - ein Umstand der in Germanistenkreisen für gewisses Stirnrunzeln sorgt. Schließlich sei eine Einladung von König zu König eine auf höchster Ebene und kein Tandaradei! Bedaure sehr, aber da steht klipp und klar: " ...vil libiu vrouwe mîn, so wolt ich gerne senden nâch den vriunden dîn, die mînen videlaere in Burgonden lant."

Was soviel heißt:  was immer seine liebste Herrin wünscht wird geschehen - und die "videlaere" sind schlicht und ergreifend Spielleute.

Aber natürlich haben sie außer Schalmei und Fidel auch die kostbarste Kleidung dabei, plus 24 Recken, damit sie ihnen unterwegs nicht geklaut wird.

Und - die Königin gibt ihnen genaue Anweisung was den Brüdern zu berichten sei. Denn auf jeden Fall muss Hagen mitkommen.

Darauf dringt sie. Von Brunhild ist keine Rede.

 

Natürlich sind Wärbel und Schwämmel - so heißen die beiden wirklich, hab ich mir nicht ausgedacht - keine gewöhnlichen Spielleute, die auf den Märkten für Hungerlohn fiedeln.

Sie gehören zum Hofe, auch wenn nicht erwähnt wird, sie seien, wie Volker  von Alzey, mit dem Schwert ebenso flink wie mit der Laute. Und Volker, Hagens Busenfreund der letzten Tage, ist ein übler Haudegen - aber auch ein "fidelaere".

Aber vielleicht war er auch nur ein Haudegen der fiedeln konnte.

 


Also gelangen sie fiedelnd - und wahrscheinlich auch singend - die Donau entlang und den Rhein hinauf bis nach Worms.

In 12 Tagen. Sie müssen gerannt sein.

Dort weiß kein Mensch wer sie sind und wo sie herkommen - bis auf einen natürlich. Der Tronjer hat, so erfahren wir nun, ein paar Jugendjahre an Etzels Hof als Geisel verbracht und erkennt offenbar hunnische Spielleute wenn er sie sieht. Die reiten in den Schlosshof und verschenken erstmal ihre Reisekleidung. Vermutlich war sie eingestaubt und man will ja schließlich was hermachen. Hat die Herrin befohlen.

Angemessen aufgerüscht erscheinen sie alsdann vor den Wormser Herren und werden leutselig begrüßt.

Auch von Hagen, der sie sogleich bis aufs Hemd ausfragt, vielleicht in der Hoffnung Kriemhild habe inzwischen das Zeitliche gesegnet. Aber nein - getreu der aufgetragenen Botschaft berichten die Fiedler "das noch nie auf Erden jemand so guter Dinge war". Die Nullen glauben es, wie sie ja immer alles glauben, was sie glauben wollen. Hagen nicht. Und schon gar nicht ist er über die Einladung begeistert, die ihnen nun ausgerichtet wird.

Er kriegt sogar einen regelrechten Wutanfall über die Blauäugigkeit der Könige und sagt - meines Wissens erstmalig - laut und deutlich- was damals im Odenwald geschehen ist und dass er Siegfried erschlagen habe. Und das offenbar vor den Ohren des gesamten anwesenden Hofes, der zuvor noch freudig der Reise zugestimmt hatte. 

Gunther wiegelt natürlich ab, das habe Kriemhild alles längst vergessen und vergeben; Gernot, mit sauber in Unschuld gewaschenen Händen und blank geputztem Gewissen, erklärt, wenn der Oheim Grund zur Furcht hätte wäre das doch kein Grund dass sie ihre Schwester nicht sehen dürften...

...und  Giselher setzt noch einen drauf und meint, besagter Oheim dürfe mit seinem Segen gerne zu Haus bleiben, wenn er sich fürchte.

Dass der Oheim ihm dafür am liebsten eins aufs Maul gegeben hätte sieht man ihm an, aber natürlich bleibt ihm nichts anderes übrig als sich in die Brust zu werfen und zu krakeelen, dass er sich sich vor nichts und niemandem fürchten würde. Und wo seine Herren hingehen da geht er auch hin, egal wie dämlich sie sind. 

 


Ein Höflichkeitsbesuch bei Frau Ute steht selbstredend ebenfalls an, denn die Einladung muss ja auch ihr gelten. Sie lehnt natürlich ab- aus Altersgründen (sie dürfte  stramm auf die Achtzig zugehen) - , denn mit einer Zusage hätte Hans Ulrich Kriemhild in Kalamitäten gebracht, da die finale Metzelei die sie geplant hat wohl kaum für die Mutter gilt. Also lässt er diese brav zu Hause - zuvor noch ein paar nutzlose Warnungen aussprechen auf die keiner hört-

und die kühnen Recken allein in ihr Verderben aufbrechen.


Was da loszieht hat allerdings keine Ähnlichkeit mit einem Verwandtenbesuch sondern mehr mit einem Heereszug.

Es werden aufgeboten: 1000 Mannen von Hagen; 3000 lässt Gunther - dem offenbar doch etwas das Wams flattert- herbeiholen; Hagens Bruder Dankwart ordert 80 Mann; 30 kommen mit Volker; es drängen summa summarum also 4110 schwer bewaffnete Ritter in Etzels gastliche Burg, wo dieser, kaum dass er von seinen heimkehrenden Fiedlern die frohe Botschaft vernommen hat, sogleich die Gästezimmer herrichten lässt. Von den 9000 Knappen, die den Zug begleiten, hat er wohl nichts gewusst. Ich schätze mal, dass auch Hans Ulrich keine wirkliche Vorstellung von diesen Zahlen  oder auch nur der erforderlichen Logistik eines solchen Zuges hat, denn sie sind ziemlich lächerlich. Er will nur die Gewaltigkeit zum Ausdruck bringen. Und 13 000 Mann die sich dem Hunnenreich nähern sind in der Tat gewaltig. Auf ihrem Weg dürfte anschließend kein Grashalm mehr gewachsen sein.

Und die Königin spricht "minneclîche" zu ihrem lieben Herrn, dass alles was sie je wünschte nun bald geschehen wird.

Und der liebe Gatte entgegnet, dass jeder Wunsch von ihr ihm eine Freude sei.

Und Hans Ulrich bemerkt sorgenvoll, dass ihm in Bälde alle Freude abhanden kommen würde...

Die Heerschar zieht also fürbass, Richtung Donau; unterwegs raufen sie  noch in Bayern mit dem Markgrafen Gelphrat, der es übelnimmt, dass die Herren - genauer gesagt Hagen, der schon mal übt - seinen Fährmann erschlagen haben. Den Markgrafen erschlägt er auch und die Bayern in die Flucht. Zuvor schmeißt er noch den Kaplan beim Übersetzen in den Fluss, um zu prüfen ob ihm ein paar Nixen die Wahrheit gesagt haben - nämlich dass außer dem Pfaffen niemand von dieser Reise zurückkehren wird. Der Kaplan kann zwar nicht schwimmen, doch Gottes Hand, wie Hans Ulrich fromm erklärt, führt ihn, tropfnass und erbost, sicher ans heimische Ufer.

Und Hagen zertrümmert die Boote, um seinen Herren deutlich zu machen, dass es keine Rückkehr geben wird. 

Er drückt es charmanter aus, aber außer Volker begreift offenbar niemand den Sinn seiner Worte.

Also wird weiter gezogen.

Sie erreichen Bechelarn (heute Pöchlarn), Rüdegers Residenz, wo sie mit allem höfischen Schnetteretäng empfangen werden - übrigens das letzte Mal auf ihrer Reise, denn der Empfang auf der Etzelburg fällt um etliche Minusgrade frostiger aus.

Zuvor lauert ihnen ausgerechnet Eckewart auf, Kriemhilds Getreuer, der sie warnen will, wobei Hans Ulrich wieder ausgerutscht ist, denn diese Episode hat er aus dem Altlilied abgeschrieben - wo sie passt, was sie hier nicht tut und überhaupt nicht hin gehört.

(Zur Erklärung: im Atlilied wird Kriemhild mit einem bösen Etzel verheiratet, der ihre Sippe nach Gran lockt, um ihnen den Nibelungenhort zu rauben. Kriemhild schickt ihren treuen Eckewart los, um die Brüder zu warnen und zur Umkehr zu bewegen. Was die aber auch nicht tun. Das Resultat ist das gleiche. Zumindest für die Burgunder.)

Rüdeger hat nicht nur eine liebreiche und huldvolle Gattin - Gotelind mit Namen - sondern auch ein allerliebstes Töchterlein - ohne Namen -  das alle anwesenden Recken unverhohlen sabbern lässt.  Beide Damen müssen, dem Brauch gemäß, die ankommenden Herren - zumindest die hochrangigen, also nicht alle dreizehntausend - mit Küssen willkommen heißen, was Gotelind routiniert absolviert, während die Tochter nicht annähernd so begeistert ist; vor allem Hagen flösst ihr Angst und Widerwillen ein. Aber der Vater hat's befohlen also hat es zu geschehen.

 

Hans Ulrich schildert die Kleine als ein wahres Küken, das noch kaum die Schalen abgeworfen hat und ignoriert unverfroren dass sie bereits vor 13 Jahren bei Kriemhilds Ankunft zugegen war, und sogar als Hofdame an den Hof der neuen Königin gehen sollte. (Was sie nie tat) Also muss sie damals mindestens 12 gewesen sein, wäre also nun bereits eine alte Jungfer von 25... nun ja, wir wissen ja was der Poet von Zahlen hält. Zudem ist Giselher, mit dem sie im Handumdrehen verkuppelt wird, mindestens 50, und der wird immer noch "daz kint" genannt, also seien wir nicht kleinlich.

 

Außerdem hat sie ohnehin nichts von dem ad hoc-Ehebund, denn das Beilager soll erst nach Giselhers Rückkehr stattfinden.

Also nie.

Das Ganze ist natürlich Hagens Einfall und das Küken wird gar nicht groß gefragt, -(Giselher übrigens auch nicht)-sondern muss ja sagen. Befehl des Vaters, der sich kaum lassen kann vor Begeisterung die Tochter so gut unter die Haube  - sogar unter eine Krone! - zu bringen. Obwohl er eigentlich ein armer Schlucker ist der von Etzels Gnaden lebt, hat er keine Scheu jede Menge dieser Gnaden  an seine lieben Gäste zu verschenken, wie Hans Ulrich ausdrücklich betont. Hagen luchst der armen Gotelind sogar den kostbaren Schild ihres gefallenen Bruders ab, den sie unter Tränen herausrückt.

Wichtig ist aber nur eines - zumindest für den vorausschauenden Hagen: der Markgraf ist jetzt mit den Burgunden versippt und verschwägert...

Und somit kommen wir  zum Finale...

Bevor sie die Etzelburg erreichen kommt ihnen ein weiterer Rufer aus der Wüste  entgegen, sozusagen der edelste der Edlen, der Saubermann der Heldenepik, keimfrei bis in die Knochen und von berühmtem Namen: Dietrich von Bern, Vertriebener seines Königreiches, Dauergast bei Etzel und Dauerverlobter - oder eventuell sogar Ehemann, so konkret ist das nicht herauszufinden - von Herrat, der Nichte von Kriemhilds Vorgängerin. Abgekupfert - und reichlich aufgehübscht - wurde er von Theoderich II., genannt der Große, der den Römern ziemlich einheizte, und ansässig war - bis zu seinem Tod 526, also lange nach Attila - in Ravenna. Und im Übrigen ganz und gar nicht edel, sondern ein wahrer Schlagetot, aber das waren sie schließlich alle.

Ausgerechnet der reitet ihnen entgegen und warnt sie vor Kriemhilds ungebrochenem Dauerleid um Siegfried und dass sie Arges im Schilde führe.

Woher er das wissen will erklärt Hans Ulrich nicht, ebensowenig warum ein Gast der Etzelburg den anreisenden Gästen die gastgebende Königin madig macht und den Urlaub vermiesen will - aber gleichwohl: er tut's, doch die Herren aus Burgund reiten unverdrossen weiter und haben, außer Hagen und Volker, die ein paar Spitzfindigkeiten von sich geben, nichts weiter zu sagen. Außer dass sie das doch wirklich nicht glauben können. 

Tja.

Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.

Und somit erreichen sie Kriemhilds neues Heim.

Eigentlich werden sie ja erwartet, sollte man meinen, aber als sie in den Burghof einreiten ist dieser - bis auf einiges Volk das gafft - gähnend leer.

Kein Etzel, kein Empfangskomitee, obwohl der Tross ja nun wirklich nicht zu übersehen, geschweige denn zu überhören ist. Offenbar ist gerade Siesta.

Und dann steht Kriemhild da.

 

Und den drei Nullen vergeht sowohl das Grüßen als auch das Grinsen, denn die Frau die ihnen mit versteinertem Gesicht entgegentritt ist nicht mehr die liebliche Maid von einst, die schönste Rose des Reiches, das allerliebste Schwesterchen; und auch nicht Siegfrieds verhärmte, trauernde Witwe.

Sondern eine Nemesis.

Sie tritt auf Giselher zu, nimmt ihn bei der Hand und verabreicht ihm den traditionellen Kuss.

Als einzigem. 


Spätestens jetzt beginnt ihnen zu dämmern, dass sie vielleicht doch besser zu Hause geblieben wären. Außer Hagen.

Und der wusste es ohnehin.

Er zurrt seinen Helm fest und bemerkt, dass nach solchem Gruße wohl alles klar sein müsse. Selbst den drei Nullen. 

Kriemhild lässt sich provozieren und eröffnet - etwas überstürzt wie ich finde  - sofort die Schlacht und giftet ihn an, weshalb sie ihn wohl freundlich grüßen solle? Ob er ihr denn schönes mitgebracht habe aus Worms? Zum Beispiel den Nibelungenhort? Hagen verhöhnt sie jetzt offen und meint, wenn er gewusst hätte, dass die Königin der Hunnen eine Gabe von einem armen Recken erwarte, dann hätte es dafür sicherlich immer noch gereicht. Und was den Schatz anginge, der ruhe im Rhein, wo er ihn auf Geheiß seiner Könige versenkt hätte.

Was frech gelogen ist. Schließlich waren die Herren bei Hagens Raubzug  auf Geschäftsreise.

Aber damit hat er sie öffentlich allesamt ins sinkende Boot geholt.

Was die Waffen angeht, die sie auf Geheiß der Königin ablegen sollen, so hustet er ihr was. Kommt nicht in Frage gnädige Frau. Er redet als einziger. Und das tut er - bis auf wenige Ausnahmen - für den Rest des Liedes. Den anderen hat es ganz offensichtlich größtenteils die Sprache verschlagen. 

Kriemhild faucht, man habe sie wohl offenkundig gewarnt und wer immer es sei, er solle es mit dem Leben büßen. Ziemlich harter Tobak und Herr Dietrich erklärt sofort dass sie bei ihm anfangen solle. 

Er duzt sie und nennt sie "valandinne" - Teufelin, womit er sich gehörig im Ton vergreift.

Aber ab hier wird es interessant, denn Hans Ulrich - sofern er immer noch der Dichter ist - macht nun eine Kehrtwende um mindestens 180°.

Denn statt dem Herrn von Bern eine schallende Ohrfeige für sein ungebührliches Betragen zu verpassen, schämt sich Kriemhild plötzlich und "fürchtet sich bitterlich" vor ihm. Sie sagt kein Wort mehr und zieht sich zurück, während der kernseifensaubere Amelunge - so sein Titel - sich per Handschlag mit dem Tronjer - seines Zeichens mehrfacher Dieb und Mörder - verbrüdert und ihn der aufrichtigen Sorge um sein Wohlbefinden versichert. 

Pah!

Was Etzel, der anscheinend aus dem Mittagsschlaf erwacht ist und aus dem Fenster lugt, erfreut bemerkt und in Hagen seine damalige jugendliche Geisel erkennt.

Was - da auch dieser nicht mehr zu den Jüngsten zählt - ein bedeutsames Licht auf Etzels Alter wirft, das nahezu biblisch sein muss...

Egal, lassen wir das. Hatten wir ja schon ein paar Mal.

Viel bemerkenswerter ist Hans Ulrichs Schwenk zugunsten Hagens. Der ist plötzlich ein Held, "groß gewachsen, mit breiter Brust, langen Beinen, sexy grau gesträhntem Haar ala George Clooney, stolzem Gang und mit schrecklichem Blick" - und die Kunde als Siegfrieds Töter, die sich  offenbar- wie auch immer - herumgesprochen hat, macht ihn nur noch aufregender. Und das wird er im Laufe der letzten Aventüren immer mehr.

Sehr seltsam. 

Das Verhalten dass er an den Tag legt ist gelinde gesagt provozierend und gleicht dem eines rüpelhaften Halbwüchsigen der sich aufspielen will.

Er spaziert mit Volker durch den Burghof und lässt sich vor Kriemhilds Gemächern nieder, den Balmung, Siegfrieds Schwert, herausfordernd auf den Knien. Als Kriemhild, eine von Etzels 12 Kronen auf der Frisur, 400 Hunnen hinter sich und außer sich vor Zorn, erscheint, bleibt er sitzen.

Und gibt ungerührt zu Siegfried erschlagen zu haben, was eigentlich nicht mehr nötig ist, denn der Leichenraub, Siegfrieds Schwert, spricht allein schon für sich. Und gegen ihn. 

Die 400 Hunnen - vermutlich die Herren, denen sie in den vergangenen 13 Jahren zu Reichtum verholfen hatte - hatten sich zuvor in die Brust geworfen und Hagens Todesurteil verkündet. Jetzt kneifen sie vor der Übermacht zweier Burgunden und schleichen davon, ihre Königin im Stich lassend.

Dieser  Satz des Spiels geht an Hagen.

Und es ist nicht der letzte. 

Die beiden Helden treten ab, denn jetzt tritt endlich der König auf, um die lieben Gäste auf das herzlichste und freundlichste zu empfangen und - auch im Namen seiner Herrin - königlich zu begrüßen. Die Herrin lässt sich allerdings nicht mehr blicken. Nach einem zünftigen Gelage werden sie im Rittersaal untergebracht - natürlich aufs Feinste ausgestattet, Etzel ist ja kein Wilder mehr - der vermutlich mit 4110 Mann etwas verstopft sein dürfte, auch ohne die 9000 Knappen.

 

Trotz allem Luxus und des Hunnenkönigs überströmender Herzlichkeit wird Giselher bänglich zumute. Er befürchtet einen Verrat der Schwester, die er nicht mehr wieder erkennt.

Verrat? Tja Junge, so ist das: "Trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den Waisen Recht, führt der Witwen Sache!"

(Jesaja 17,1), den Herren vermutlich nicht bekannt, trotz Kirchenbesuch)

 

Ein Verrat zieht den anderen nach sich und Gerechtigkeit ist der Schwester von ihren Brüdern nicht gewährt worden.

Nun wird sie sich diese holen.

Hagen ist von derartigen Überlegungen gänzlich frei, ebenso von jeglichem Schuldgefühl. Er klopft dem Kleinen auf die Schulter und erklärt, er werde vor der Tür Wache halten. Tut er auch und Volker als treuer Hund folgt ihm. Samt Fiedel. Und auf dieser fiedelt er süße Weisen, die ganze Nacht, abgesehen von einer unwesentlichen Unterbrechung, weil Kriemhild erneut eine Schar Mordbuben ausgesandt hat, die  Hagen den Garaus  machen sollen - und nur ihm.

Leider ist der fidelaere auch dabei und entdeckt sie, was die Herren zu sofortigem Rückzug veranlasst. Schließlich sollen sie ja nur Hagen erledigen. Also retirieren sie, verfolgt von Volkers Spottgesängen, der sich liebend gerne ein wenig geprügelt hätte.

 

Und Kriemhild muss sich eine neue Strategie ausdenken.

Die Burgunden haben also die erste Nacht heil überstanden. Der neue Tag bringt einen Kirchgang im Münster - wir staunen dass es im heidnischen Hunnenland ein Münster gibt - und anschließend das obligatorische Turnier, in dem Volker die Gelegenheit nutzt und einen Hunnen aufspießt. Der anschließende Tumult wird von Gunther und Etzel im Hui beigelegt - zu Kriemhilds größtem Bedauern. 

Nichts zu machen Majestät. Die Herren Könige wollen keinen Zoff. Den will nur einer.

Na, vielleicht zwei.


Da alle ihre Mannen ausgemachte Weicheier sind wendet sich Kriemhild - völlig unverständlich, es sei denn, der Dichter will auf die Unvernunft des Weibes hindeuten - an den edlen Dietrich. Noch bevor der den Mund aufmachen kann fährt ihm sein alter Waffenmeister Hildebrand "mit zorne" über denselben und lehnt erbost ab. Dietrich natürlich auch, schließlich ist er per du mit den Burgunden. 

Die Königin schaut sich um wer noch in Frage kommen könnte und ihr Blick fällt auf Bloedel, Etzels Bruder.

Auch der ist historisch verbürgt, allerdings unter dem Namen Bleda.

Es wird davon ausgegangen, dass Attila ihn umgebracht hat; (aber wohl eher nicht im ehrlichen Zweikampf, wie anschaulich im Film dargestellt, mit einem knusprigen und sehr hübschen Gerard Butler: 

https://www.youtube.com/watch?v=wiHqbiQpMFE- auch wenn Attila vermutlich nicht annähernd so telegen war...)


Aber Attila war ein Böser und Etzel ist ein Guter und sein Bruder  ist weder noch, sondern kann nur den Hals nicht vollkriegen. Vielleicht hat Hans Ulrich ihn deshalb Bloedel genannt. Auch gelüstet es ihn nach einer jungen Dame, die offenbar nicht so leicht zu haben ist, denn er ziert sich zunächst - vielleicht um den Preis hoch zu treiben - und schlägt erst ein als Kriemhild ihm neben goldenen Bergen, Land und Burgen, auch die Lady verspricht.

Er schickt Kriemhild zum Festessen in den Rittersaal, meint, die Angelegenheit würde pünktlich erledigt und zieht mit 1000 Mann zur Herberge der  9000 Knappen, die mit Hagens Bruder Dankwart beim Schmausen sind. Außer Dankwart ist keiner bewaffnet, aber der schlägt Bloedel schneller den Kopf ab als der auch nur "huch" sagen kann. Daraufhin beginnt das erste Gemetzel, das von den Überfallenen nur Dankwart überlebt. 

Um 9000 Knappen ärmer und die Hunnen auf den Fersen erreicht Dankwart den Rittersaal und schreit nach Hagen.

Der hat das Dinner damit zugebracht König und Königin nach Kräften zu beleidigen. Sie führen den siebenjährigen Sohn und Erben den Verwandten aus Burgund vor und Etzel schlägt vor, den Kleinen den Onkeln zur weiteren Erziehung und Ausbildung nach Worms mitzugeben, worauf Hagen verächtlich feststellt der Junge wäre viel zu mickerig um auch nur das Mannesalter zu erreichen.

Etzel ist von dieser Rede "betrúobete im herzen" wie Hans Ulrich feststellt - was wohl mit "sehr gekränkt" übersetzt werden kann - aber er sagt nichts.

Ob Kriemhild eine Antwort gehabt hätte bleibt ewig unklar, denn als Dankwart hereinstürzt ist ihr Sohn der erste der dran glauben muss, weil Hagen durchdreht und erst seinen Kopf zielgenau im Schoß der Mutter landen lässt, dann seinen Erzieher köpft und anschließend dem armen Wärbel die Spielhand abschlägt. 

Und dann bricht die Hölle los. Jeder geht auf jeden los, Köpfe rollen oder fliegen, Volker und Hagen vorneweg, bis sich die Leichen zu ihren Füßen türmen, Etzel und Kriemhild  um ihr Leben fürchten und Dietrich von Bern anflehen sie hinaus zu bringen. Der hat keine Ahnung wie er das anstellen soll, schafft es aber schließlich sich in dem Hexenkessel Gehör zu verschaffen und freien Abzug für König und Königin sowie für sich und seine Mannen zu erhalten. Rüdeger, den er vergessen hat, hebt schamhaft den Finger und darf auch hinaus. 

Drinnen wird weiter gemordet und Volker scheint in seinem Element zu sein, nämlich in einem wahren Blutrausch.

Schließlich sind alle anwesenden Hunnen tot und werden aus dem Saal geschaufelt. 

Das Tor zum Saal knallt zu und die Wormser sitzen drin. Allerdings in der Falle.

Wobei Volker es sich nicht nehmen lässt, jeden, der die Toten vor dem Tor zu bergen versucht, mit einem Blattschuss zu erlegen, mit höhnischen Worten untermalt.

Ein wirklich herziges Kerlchen.

Auch der Tronjer ist in seinem Element und schießt einen vergifteten Pfeil nach dem anderen auf Etzel ab - bildlich gesprochen - den er als Feigling verhöhnt, der sich scheue selbst zum Schwert zu greifen, wie es einem König gezieme.

Nun - dass Etzel die Geißel Gottes war liegt zwar schon etwa 700 Jahre rückwärts, aber ein Waschlappen ist er auch nicht und von einem hergelaufenen Bastard aus Burgund lässt sich ein König nicht beleidigen, schon gar nicht in der eigenen Burg. Er zückt den Krummsäbel und will auf den Mistkerl losgehen, aber Kriemhild, die schon einmal eine Kriegerwitwe war,  weiß was ihr dann blühen kann - und sie weiß auch, dass Hagen ihn umbringen würde, zumal er auch noch den Balmung, Siegfrieds Schwert, führt.  Also interveniert sie und als das nichts hilft ziehen des Königs  Leute - welche sagt Hans Ulrich nicht, weil die meisten ja mausetot in der Halle liegen - ihn gewaltsam aus der Schusslinie.

Seiner Beute Etzel beraubt schießt Hagen nunmehr gegen sein primäres Ziel, die Königin, indem er Etzel höhnisch fragt warum er sich Kriemhilds wegen solche Mühe mache? Schließlich ginge es ihr nur um Siegfried, ihren Geliebten - (er sagt nicht "Gemahl"!) - und mit dem hätte der König ja wohl nichts zu tun.

Ein denkbar primitiver Angriff, denn zum einen ist Etzel ein Ehrenmann und Kriemhild seine Königin, deren Ehre er  wie die eigene zu wahren hat, und zum anderen liegt ein von Hagen ermordetes Kind in der Halle.

Das zumindest sein Vater nicht vergessen hat.

Kriemhild, weißglühend, bietet wieder goldene Berge, die ihr gar nicht gehören, für den, der ihr Hagens Kopf bringt.

Da Etzel über 30 königliche Vasallen verfügt die ihm Waffentreue schulden - die aber offenbar grade nicht zur Hand sind - wären solche Angebote eigentlich überflüssig, aber sei's drum. 

Nun geht der Tod mit dem Abzählreim herum. Ene mene muh. Markgraf Iring ist der erste, der heldenhaft fällt - von Hans Ulrich mit äußerster Genauigkeit beschrieben. (Vers 2031 - 2080, falls es jemand nachlesen will.) Dann Irnfrit und Hawart, ihres Zeichens Thüringer und Sachsen, die mit 1000 Mann die Halle stürmen und nicht mehr lebend verlassen. Auch die nächsten 20.000 Hunnen die König und Königin hineinschicken sind des Todes. Diesmal stapeln sie sich offenbar in der Halle, und dienen den Wormsern als Sitzkissen.

Die drei Nullen beratschlagen und lassen Etzel rufen um mit ihm zu verhandeln. Gunther erinnert ihn an den Beginn der Feindseligkeiten und dass sie doch daran gar keine Schuld tragen, worauf Etzel nur erwidert, dass ihr Leid und das seine wohl kaum vergleichbar seien. Klein Giselher bettelt noch ein wenig um sein Leben: "vil schoeniu swester mîn ...wie hân ich hie verdíenét den tot?" Er habe ihr doch nie ein Leid zugefügt.

Nein, nur nicht verhindert. 

Dann bittet Gernot um ein Ende mit Schrecken. Man soll sie in den Burghof lassen und dort niedermachen. Kriemhild, zur Stelle und in bester Kenntnis über Hagens Heimtücke - sind sie aus der Halle, dann sind sie aus der Falle -  verhindert jedes Zugeständnis, bis auf eines: sie will Hagen, dann mögen die anderen ziehen.

Klar will sie nur Hagen. Sie wollte von Anfang an nur ihn. Die tausende die bereits tot herumliegen sind Kollateralschäden, die sie niemals wollte. Die sie aber auch nicht weiter erschüttern.

Aber nun kommen wir zur "Nibelungentreue"!

Vor 110 Jahren, am 29.März 1909, sprach der damalige Reichskanzler Bülow in einer Rede vor dem Deutschen Reichstag über die "Nibelungentreue". Es ging um das deutsch-österreichische Bündnis, mit dem der erste Weltkrieg eingeläutet und die Deutschen in die Katastrophe gelockt, gezogen, getrieben - wie auch immer - wurden. Weil ein Thronerbe der österreichischen K.u.K Monarchie und seine Gemahlin in Sarajewo ermordet worden waren. Am Ende war Europa ein Leichenfeld mit 10 Millionen Gefallenen, 20 Millionen Krüppeln, und mindestens sieben Millionen  zivilen Opfer. 

Nicht vergleichbar? Von mir aus. Es sind hier ja nur - mal kurz überschlagen -  etwas über 30.000 Männer - plus ein Kind - die tot in der Halle und im Burghof liegen, aber um die Anzahl geht es nicht. Außerdem werden es noch mehr.

Es geht um zwei Männer die schuldig sind des Meuchelmordes am Ehemann ihrer Schwester, des Raubes ihres Vermögens und um zwei weitere die es tatenlos geschehen ließen. 

Und um einen  der ein Kind ermordet hat. Und um den allein geht es Kriemhild, die offenbar - mit dem letzten Rest von Sippentreue - ihre Brüder schonen will.  

Zwei dieser Brüder - nämlich Gernot und Giselher - ziehen sogleich blank und donnern die Schwester an, dass sie nie - niemals! - dem Treuesten der Treuen - womit offenbar Hagen gemeint ist - die Treue brechen würden! Dass da noch ein paar Hundert Gefolgsleute herumstehen interessiert offenbar keinen, denn niemand fragt sie.

Grandios! 

In Treue fest für König, Vaterland und Hagen! Und was sagt Hagen? Der doch bis dahin der große Wortführer war? Nichts sagt er.

Was sagt Gunther? Der Mittäter und Mitwisser?

Nichts sagt er.

Wäre Hagen tatsächlich der furchtlose Held als der er sich ständig präsentiert, so hätte seine Antwort nur "ja!" lauten können. So wie Gunthers Antwort nur ein "nein" sein konnte.

Nur diese beiden hätten sprechen dürfen, sollen, müssen. 

Sie tun es nicht, überlassen es den anderen für sie einzustehen.

Nur andere sind treu - zumindest zwangsweise. Diese beiden sind es nicht. Sie opfern ohne Wimpernzucken noch weitere Tausende Menschenleben.

Sie sind Feiglinge.

So wie alle Attentäter.

Das - und nichts anderes - ist "Nibelungentreue". Nicht der Schutz der Witwen und Waisen, der Schwachen und Hilflosen, sondern der Mörder. Oder wenigstens der Missetäter.

Und so wie ich es sehe hat sich daran nichts geändert. Die Zeche zahlen immer die da unten. 


Daraufhin gibt Kriemhild den Befehl die Halle anzuzünden.

Sie. Nicht Etzel.

Der Saal soll an allen 4 Ecken gleichzeitig in Brand gesetzt werden und nicht ein Mann soll entkommen, so ihre Anweisung.


So geschieht es und die Halle brennt die ganze Nacht.

Dass am nächsten Morgen von den wie die Ratten in der Falle sitzenden Wormsern noch 600 am Leben sind, kann Kriemhild nicht glauben. Wir auch nicht. Hans Ulrich lässt sie Blut trinken und mit ihren Schilden die herabstürzenden brennenden Trümmer ablenken und somit am Ende "noch vil wol gesunde stân."

So gesund, dass sie einem weiteren Angriff der Hunnen (zwölfhundert ausgeruhte Mannen) siegreich standhalten. Na ja. Offenbar sind sie alle erfolgreich einer Rauchvergiftung entgangen. 

Der nächste Blick Kriemhilds fällt auf Rüdeger. Was eigentlich schon eine Weile überfällig war, denn er ist durch zweifachen Eid sowohl an sie als auch an den König gebunden. Dennoch bedarf es tatsächlich noch eines Kniefalls des Königspaares bis er schließlich in den sauren - um nicht zu sagen faulen - Apfel beißt. Denn er ist ja auch an die Burgunder gebunden - durch Giselher und seine Tochter.

Ein paar Eide zuviel Herr Markgraf.

Die Krone für sein Kind kann er wohl abschreiben - sein Leben aber auch. Sein Leben, seine Ehre, seine Pfründe - und was aus Frau und Tochter werden soll wenn er fällt mag der Himmel wissen. Also empfiehlt er diese der Gnade des Königs und schultert sein Schwert.

Als Volker ihn kommen sieht - samt seinen bewaffneten Männern - weiß er was die Stunde geschlagen hat. Die drei Nullen treten natürlich wieder auf der Stelle. "Daz kint" eilt freudig auf ihn zu, Gernot und Gunther setzen zu feierlichen Reden an, und wollen selbst dann noch nicht die Tatsachen wahrhaben, als  der Markgraf sie ihnen vor die Füße wirft. Es kommt ihnen sauer hoch, als sie es endlich glauben müssen und natürlich ist die Kükenbraut nun Geschichte wie Giselher unverzüglich mitteilt- aber hier tritt Hagen zum ersten und letzten Mal als so etwas wie ein Edelmann in Erscheinung. Er tritt vor und erklärt, dass ihm Gotelinds Schild zerhauen sei; ob ihm Rüdeger den seinen überlassen wolle? Er eröffnet dem Markgrafen damit die Möglichkeit eines ehrenvollen Todes und Rüdeger ergreift sie. Natürlich.  Hagen und seine Miniaturausgabe Volker treten zurück und nehmen an dem nun folgenden Kampf nicht teil. 

Kurz und schlecht: es rollen wieder jede Menge Köpfe und Gernot erlegt Rüdeger. Und vice versa. Beide fallen von des anderen Hand. 

Die gespenstische Stille die dem Schlachtenlärm folgt lässt Etzel und Kriemhild fürchten, der Markgraf habe die Seiten gewechselt - eine seltsame Annahme nach dem Mordsgetöse. Aber vermutlich ist die Befürchtung Rüdeger sei gefallen fast noch schlimmer, denn als Volker ihnen mitteilt der Markgraf sei samt seinen Mannen hinüber, da lässt Hans Ulrich Etzel vor Schmerz wie einen Löwen brüllen.

Kriemhild brüllt zwar nicht aber auch ihr Leid ist groß -  ob um den Helden oder darüber dass sie keine Ahnung hat wen sie als nächstes in den Ring der offenbar unbesiegbaren Feinde werfen soll, berichtet uns Hans Ulrich nicht.

 

Eigentlich bleibt ja nur noch einer übrig. 

Und der sitzt - zwar nicht "ûf eime steine, bein mit beine" (Walther von der Vogelweide)- sondern auf einer Fensterbank.

Sinnend. Worüber auch immer. 

Als der Amelunge die Nachricht von Rüdegers Tod - samt Löwengebrüll - hört, will er sie nicht glauben. Schließlich ist der Markgraf mit den Wormsern versippt und verschwägert! Also schickt er einen Boten aus und als der - schluchzend - zurückkommt und die Mär bestätigt glaubt er sie immer noch nicht, worauf Hildebrand, sein betagter Waffenmeister, sich anbietet genaue Kunde einzuholen. Er will auch stracks los, ohne Schwert und Helm, was Dietrichs Mannen gerade noch verhindern können. Da dieser weiterhin untätig am Fenster sitzt und die Landschaft bewundert statt irgendwelche Anweisungen zu geben, marschiert der gesamte Tross los. Und natürlich gibt es Krach. Hildebrand, nachdem sich alle die Tränen aus den Bärten gewischt haben, bittet noch manierlich um die Herausgabe des edlen Leichnams. Gunther setzt zu höflicher Zustimmung an, aber Volker fährt ihm übers königliche Maul, was von Wolfhart, ein vorlauter junger Kerl und Hildebrands Neffe, entsprechend beantwortet wird. Und schon ist die nächste Schlacht im Gange, bei der es endlich Volker erwischt, denn Hildebrand erschlägt ihn. Dafür kann man ihm fast verzeihen, was er wenig später tut. Giselher jagt mit Wolfhart durch die Halle, was ob der Leichenberge ein echter Hürdenlauf sein dürfte, und beide rennen gegenseitig in ihre Schwerter. Hildebrand sieht seinen Neffen fallen und stellt fest dass sich die Anzahl der Toten noch weidlich erhöht hat, denn außer ihm stehen nur noch Gunther und Hagen aufrecht. Er will Wolfharts Leiche bergen, kann sie aber nicht tragen und schon ist Hagen zur Stelle. Der Alte schafft es gerade noch zum Tor hinaus und stürmt - vermutlich humpelnd, auf jeden Fall blutend - zu Dietrichs Bleibe. 

Welche Nebelschwaden auch immer das Hirn des Berners umwabern, sie lüften sich auch nicht, als Hildebrand völlig zerfleddert auftaucht.

Er rügt ihn für unbotmäßiges Verhalten, weil er den Freunden aus Worms wohl ungehörig entgegen getreten sei und offenbar Streit herauf beschworen habe. Der alte Herr hätte ihm dafür eins hinter die Ohren geben sollen, kriegt aber noch rechtzeitig mit, dass der Herr Dietrich wohl in irgendeiner fernen Dimension weilt. Und gar nichts mitkriegt. Also bestätigt er Rüdegers Tod, worauf sein Herr zunächst Tränen vergießt und sodann seine Mannen klar zum Gefecht befiehlt. Dass sie allesamt hinter Hildebrand her marschiert sind ist ihm ja, ob seines Nachdenkens worüber auch immer, völlig entgangen. 

Daher lässt ihn der Partherpfeil der ihn nun trifft, dass er nämlich keine Mannschaft mehr hat, doch erheblich in seinen neutralen Grundfesten wanken. 

Sein Streitgewand muss er sich nun selbst holen und anlegen.

Laut Hildebrand sind ja nur noch zwei Burgunder am Leben und mit denen dürfte er wohl fertig werden. Außerdem ist er ausgeruht und die beiden haben 24 Stunden Dauerstress hinter sich...

Und da sind sie auch schon, die letzten Überlebenden aus Burgundenland. Gunther, ehemals König, und sein Spießgeselle, Hagen von Tronje.

 

Besonders gut sehen sie nicht mehr aus und die Halle muss ein wahres Höllenloch sein. 


Schließlich ist es warm - Mittsommerzeit - und solche Temperaturen sind weder Lebenden noch Toten auf Dauer bekömmlich. Letzteren auf keinen Fall. Aber statt die beiden sofort dingfest und somit dem ganzen Spuk ein Ende zu machen hält Dietrich eine Ansprache, in der er  zunächst bitterlich über das ihm zugefügte Ungemach jammert, denn war er doch nicht immer ihr Freund? Und nun steht er da, nicht nur ein Vertriebener seines eigenen Reiches, sondern jetzt auch ohne jegliche Gefolgschaft, worauf Hagen - immer noch aufrecht und bei Stimme - so gut wie alle Schuld von sich weist und Hildebrand zuschiebt. Der Berner ist einem Kampf erstaunlich abgeneigt- vermutlich ist es ihm zu warm und der Turnierplatz nicht in angemessener Form - und verlegt sich weiter aufs Verhandeln. Offenbar hat er in erster Linie seine eigenen Interessen im Blick, denn er sagt Unterstützung gegen Etzel zu, sofern der Burgundenkönig ihm einen Sühneausgleich für seine Verluste anbietet. Wie der aussehen soll, weil vor ihm schließlich nur zwei zerlumpte Kerle stehen die nichts mehr anzubieten haben, bleibt unklar, denn Hagen lehnt ohnehin ab. Er, nicht Gunther. Darauf geht Dietrich nicht nur einen Schritt weiter sondern gleich ganze Meilen und verspricht den beiden Geleitschutz zurück in ihr Land - mit seinem Leben und seiner Ehre verspricht er es. 

Von welcher Ehre er spricht hat sich mir noch nie eröffnet, denn er hat nicht das geringste Recht sich über den Hunnenkönig, dessen Kostgänger er seit Jahren ist, der bereits jegliche Gnade ausgeschlossen hat und  dessen Sühneanspruch den seinen um einiges übersteigen dürfte, hinweg zu setzen und ihn schlicht zu ignorieren. Etzel nimmt vielleicht hin, dass ihm Kriemhild den Schneid abkauft und über seinen Kopf hinweg entscheidet, aber ganz sicher nicht von einem Gast seiner Burg. Und noch stehen Hunnen vor dem Saal,  sodass der Amelunge die beiden unblessiert auch nur  bis ans Tor zu bringen in der Lage wäre also füglich zu bezweifeln sein dürfte. 

Hagen bezweifelt es auf jeden Fall und kampflose Aufgabe gehört nicht zu seinen Gepflogenheiten. Entehrt und besiegt ohne einen einzigen Gefolgsmann nach Worms zurückkehren? Besten Dank Herr von Bern, wir sterben lieber. 

Außerdem hat er genug von dem Gerede, also fällt er Dietrich wie ein Tollwütiger an und bereitet ihm einige ungemütliche Minuten, bis der den erschöpften Alten schließlich in die Knie zwingen kann. Ihn umzubringen wagt er nicht, sondern führt ihn vor die Königin, mit der Bitte um Verschonung. Er solle doch lieber Sühne leisten.

Na sicher doch. Vielleicht an den Rhein zurückreisen und den Hort wieder herausfischen?

Sie lässt ihn in den Kerker werfen, während Dietrich sich um Gunther kümmert, der vor der Halle steht und nach Hagen schreit. 

Nachdem er auch den letzten Burgunder bezwungen und vor der Königin abgeliefert hat - nicht etwa vor Etzel - , empfiehlt er sich mit besten Grüßen und der Bitte, beiden ach so edlen Überlebenden um seinetwillen gnädig zu sein, was sie huldvoll abnickt.  Eine nette Geste auf die er selbst keinen Pfifferling gibt, denn er wendet sich weinend ab. Vermutlich um sich wieder ans Fenster zu setzen und weiterhin über die Unbill des Lebens nachzusinnen.

Kriemhild betrachtet ihren Bruder und heißt ihn höflich willkommen. Willkommen Gunther aus Burgund.

Er nennt sie "liebe Schwester" und beklagt sich gleichzeitig über ihren Zorn.

Tatsächlich. 

Angesichts tausender Leichen in seinem Rücken ist das wohl die Untertreibung des Jahrhunderts, selbst für höfische Verhältnisse.

Und er landet ebenfalls im Kerker. Aber in einem anderen als Hagen. Da offenkundig alle Protagonisten - Etzel, Dietrich und Hildebrand - urplötzlich verschwunden sind, ist die Königin allein mit ihren Gefangenen. Und allein mit ihrer Rache. 

Sie tritt vor Hagen. Und fordert...

Ja - was eigentlich???

Sie sagt: "welt ir mir geben widere daz ir mir habt genommen, so muget ir noch wol lebende héim zen Búrgônden komen."

Heißt auf gut Deutsch: " wenn du mir zurückgibst was du mir genommen hast, lasse ich dich vielleicht laufen. "

Alle Welt macht daraus eine Forderung nach dem Gold der Nibelungen - das ihr allerdings tatsächlich gehört - und regt sich künstlich auf. Sie sei machtgierig, goldgierig, wahnsinnig.

Nichts davon kann ich erkennen.

Dass Hans Ulrich sich öfter mal  verheddert und altes Sagengut einbezieht haben wir ja schon erwähnt. So auch das Atlilied, in dem der böse Attila von den Wormsern den Hort fordert  Dass er damit erfolglos blieb auch. Und da passt es nun mal, so wie ehedem Eckewarts Warnung.

Aber hier steht Kriemhild und nicht sie bringt den Hort ins Spiel, sondern Hagen. Also passt es nicht.

Es ist keine Rede von den Goldtalern, sondern davon was Hagen ihr genommen hat. Und das ist - zunächst mal - Siegfried. Es ist Hagen der ihre Worte ummünzt und einzig auf den Schatz bezieht und sie damit als gold-und- mordgierige Furie abstempelt. Den einen, den sie wirklich will, kann er nicht zurückgeben, das andere wäre zumindest - sehr theoretisch - möglich.  Genau genommen ist weder der eine noch das andere wieder herbei zu schaffen, denn der Hort liegt im Rhein so unerreichbar wie Siegfried in seinem Grab. Und was tut er? Er erklärt die Unmöglichkeit zu einer Quasimöglichkeit, die geheim bleiben wird solange noch einer seiner Herren am Leben ist. Und provoziert damit genau die folgende Handlung. Denn indem er sich weigert ihr Sühne zu leisten gibt er ihr schließlich  jede Rechtfertigung ihn zu richten, oder Herr Dietrich?

"Ich bringez an ein Ende." So sagt sie und Hans Ulrich nennt sie im gleichen Atemzug "daz edel wîp." Die edle Frau. 

Daz edel wîp gibt Befehl den Bruder zu enthaupten und schwenkt wie weiland Salome die tropfende Trophäe  vor ihrem Widersacher.

Das ist - zugegeben - schon ein wenig irre, aber nach den Metzeleien der letzten Tage muss man der Dame wohl etwas Abgestumpftheit in puncto Grausigkeit zugestehen. Hagen betrachtet finster den Rest von Gunther und erklärt sodann, es sei alles so geschehen wie er es sich vorgestellt habe - ganz  Stratege bis zuletzt. Und wo der Hort sei wisse außer ihm nur noch Gott - und ich vermute nicht mal der - und solle ihr, sowie jedem anderen, nun für immer verborgen sein. Und sie sei eine Teufelin. Jawohl. Hat ja schon Herr von Bern gesagt.

Offenbar, obwohl in Ketten, trägt er immer noch das Schwert.

Siegfrieds Schwert, den Balmung. Und der ist alles was ihr noch bleibt. 

"Dies trug mein holder Liebster, als ich zuletzt ihn (lebend) sah."

Ein herzzerreißender Satz, der auch der letzte ist den Hagen in diesem Leben hört, denn sie nimmt den Balmung - der schätzungsweise mal eben 3,5 kg wiegt - und schlägt ihm den Kopf ab. Zielgenau.

 

Und zielgenau tauchen - wie Springteufel aus der Schachtel - die drei Herren aus der Kaffeepause wieder auf.

Um zu mosern.  

Die Herrenriege rückt zusammen und beklagt den Tod des "allerbesten Helden" - (Etzel!) - Dietrich schauet stumm in dem ganzen Kreis herum und Hildebrand gerät völlig außer sich über den Umstand, dass ein Weib sich erkühnt hat etwas zu tun was doch ureigenste Domäne der Männer ist. Wo sie allerdings selbst den Ablauf der Tragödie zugebracht haben, die sie bei Anwesenheit doch verhindern, bzw. ordnungsgemäß selbst hätten abarbeiten können, bleibt unklar. Der durchgedrehte Alte springt schwertschwingend auf die Königin zu, sie kreischt und das war's dann. Etzel schaut - wenn auch entsetzt -  zu, Dietrich schaut zu. Hans Ulrich deutet an, sie sei in Stücke gehauen worden, aber denken wir lieber, es sei nur ein weiterer Kopf gerollt.

Ist ehrenhafter.

Schließlich war sie die Königin des Hunnenreiches.

Apropos ehrenhaft: Gernot, Giselher, Rüdeger, sogar Volker, sowie die  hunnischen Vasallen und sämtliche angereisten Wormser, sterben einen "ehrenhaften" Tod. Sie fallen in der Schlacht, von der Hand gleichrangiger Recken. Gunther und Hagen nicht. Ihr Tod könnte kaum schmählicher sein und nach Walhall geleitet sie mit Sicherheit niemand. Nicht mal Brunhild. 

Wenn also Germanisten - und zwar fast übereinstimmend - Hagen zu einem "moralischen" Sieger über Kriemhild erklären, dann kann ich daraus nur folgern, dass sie gar nix begriffen und den Dichter nicht mal annähernd verstanden haben. Hagen ist ein Mörder und wie ein solcher umgekommen. Gunther  ist ein rückgratloser Mittäter, der auch nichts besseres verdient hat, als von einem namenlosen Hunnen geköpft zu werden.

Und Kriemhild? Sie stirbt - (übrigens von Heldenhand!) - weil sie sich unweiblich betragen hat. Am Leben lassen kann Hans Ulrich sie nicht - denn was für ein Leben sollte das schon sein? Er schickt sie dorthin wo sie seit 26 Jahren sein will. Zu ihrem Liebsten, dessen Tod sie mit einem gewaltigen Blutbad gerächt hat.

Nun hat die Mär ein Ende, ebenso wie alle Herrlichkeit und es wird allgemein getrauert und geklagt. Von denen die noch übrig sind.

So beendet der Dichter seine gigantische Geschichte.

Etzel weint, Dietrich weint, Hildebrand weint nicht sondern muss sich  erholen, und Hans Ulrich bemerkt lapidar dass er weiter nichts zu berichten habe.

 

Und wer ist die "Waisenseele" in dieser Saga verlorener Seelen?

 

Ich denke es ist Etzel, der einzig Schuldlose, der freundlich arglose, der die falsche Frau geheiratet und offenbar auch geliebt hat, ohne jemals Gegenliebe zu erfahren. Sein Kind ist tot, sein Saal ein Trümmerhaufen, seine Getreuen vernichtet.

Ihm bleibt nichts mehr. Und nichts von alledem hat er verursacht.

 

Um es noch mal zusammen zu fassen - vielleicht nicht ganz korrekt, aber wenigstens lustig...

...es muss noch geklagt werden....

Nach der 39. Aventiure und 2379 Versen ist Hans Ulrich endgültig die Luft  und/oder die Lust am Weiterdichten ausgegangen.  Es gibt jede Menge Tote, reichlich Trümmer und unendlich viel Herzeleid. Wissen wir bereits.

Da ich selbst Bücher geschrieben habe weiß ich um die Sehnsucht der Leser nach einem befriedigenden Ende, möglichst einem happy end. Dass letzteres hier nicht zu haben ist dürfte klar sein. Aber wenigstens doch ein ordentlicher Abschluss, um sich schluchzend zu verabschieden, sollte doch drin sein?

Für Hans Ulrich offenbar nicht. Er hat sich aus dem Spektakel zurück gezogen, vermutlich  in eine Klause, mit einer Maß Klosterbier und ein paar Psychopillen, um nicht vollends in Depression zu versinken.

 Sein Publikum sah es offenbar anders, also machte sich ein Nachfolger auf, ein angemessenes Halali zu dichten. Er hat es gar nicht übel gemacht, auch wenn ich vielleicht ein paar Kleinigkeiten anders inszeniert hätte. 

Sei's drum. Ich bin 800 Jahre zu spät dran.

Zunächst beginnt er mit einer Aufarbeitung des Dramas, nach dem Motto: was hätte sein können, wenn .... was wäre gewesen, wenn... und dabei kommen weder Hagen noch Gunther glimpflich weg. Während Hans Ulrich diverse Pirouetten drehte und sich nie eindeutig auf eine Schuldfrage oder eine(n) Schuldige(n) festlegte, bezieht dieser Dichter - ich überlege wie ich ihn nennen soll - klare Stellung. 

Wäre Kriemhild ein Mann gewesen, so seine Meinung, dann hätte ihr niemand das Recht auf Rache streitig gemacht. Als Frau sind ihre Möglichkeiten hingegen begrenzt, beziehungsweise nicht existent, denn ihre Brüder, die verpflichtet gewesen wären ihr Genugtuung zu geben, haben nicht nur kläglich versagt, sondern konnten gar nicht intervenieren, da sie bis über alle Ohren in die Verbrechen verstrickt waren. Also hatte sie das Recht - meint er  - zur Rache und niemand solle sie dafür schmähen. Und überhaupt sei es ihr einzig um Hagen gegangen. Eine wirklich klare Stellungnahme. (Die meine volle Zustimmung findet.) Dass die Blutrache urgermanisch ist und keinesfalls mit christlichen Werten harmoniert, sei nur nebenbei festgehalten. Allenfalls könnte man noch das Alte Testament bemühen, in dem es Auge um Auge geht.

Vielleicht ist der Dichter, der sicher auch ein Kirchenmann war, nur bis dahin gekommen. Oder er verabscheute das Eiapopeia des Hinhaltens der anderen Backe. Wie auch immer. 

 

Daher finde ich er sollte Kuno Justus heißen. Justus für gerecht.

Vielleicht ist diese deutliche Parteinahme ein Grund warum die neudeutschen Germanisten "die Klage" stets vom eigentlichen Lied abgetrennt haben, sie sogar als minderwertig ansehen.

Ich habe gewaltig kramen müssen, bevor ich beide Werke zusammen gefunden habe - zumindest mit zusätzlicher neuhochdeutscher Übersetzung, denn meine Kenntnis des Mittelhochdeutschen ist nach 42 Jahren ein klein wenig eingerostet und braucht Starthilfe.

Dabei wurde sie im Mittelalter stets dem Epos zugehörig betrachtet und auch stets zusammen vorgetragen.

 

Nun denn; Kuno Justus krempelt die Kuttenärmel hoch und beginnt aufzuräumen. Schließlich sind gigantische Leichenberge zu beseitigen.


 Auf Veranlassung Dietrichs - Etzel ist zu ausgiebig mit seiner Trauer beschäftigt um Entscheidungen zu treffen -  werden die prominenten Toten beider Seiten geborgen und aufgebahrt, Kriemhild und ihr Sohn in kostbare Tücher gewickelt und die Edlen in Särge gelegt- wo auch immer die her kamen. Schließlich ging es auch hier um ein paar hundert Männer. Man bestattet sie und die anderen hohen Adligen prunkvoll und beerdigt anschließend die tausenden übrigen Toten in einem Massengrab, wobei Kuno Justus sehr drastisch die Bergung der unübersehbaren Zahl von Leichen schildert, die in ihrem Blut liegen. Die makaberen Details schlagen jeder Schilderung  "des heldenhaften Kampfes" ins Gesicht und sind eine deutliche Entheroisierung. „Das Blut“, heißt es, „strömte überall durch die Abflusslöcher hinunter.“  Offenbar weigerte es sich zu gerinnen.

Wolfhart, Dietrichs Neffen, muss sein Schwert mit Zangen aus den mittlerweile totenstarren Fingern gebrochen werden. Der verwundete Hildebrand bricht beim Bergen des schwer gewordenen Rüdeger in der Tür der Halle zusammen. Detailliert wird auch beschrieben, wie man zu Kriemhilds Leiche ihren Kopf, den blutüberströmten Körper ihres Kindes und seinen Kopf legt. (Also fand es auch Kuno Justus pietätlos die Königin in Stücke zu hauen und korrigiert dezent.) 

Es wird ungeheuerlich geklagt: junge Damen brechen sich beim Händeringen die Knochen und reißen sich die Haare aus; edle Damen zerreißen beim Anblick ihrer lieben Toten weinend die kostbaren Kleider und schluchzen laut und jämmerlich. 

"...als ob kraneche waeren komen schriende in das rîche..." als wären Kraniche schreiend in das Reich gekommen...

Das Leid der Frauen. 

Kuno Justus benennt sie sogar namentlich, was Hans Ulrich wohl kaum in den Sinn gekommen wäre.

Etzel ist noch imstande festzustellen, dass die Toten da liegen wie Vieh, das die Löwen gerissen haben, worauf sein Wehgeheul so laut ertönt  dass es fast die - restlichen- Gebäude zum Einsturz bringt. Er sinkt auf der Türschwelle der Halle nieder. Hinein in die Blutlachen. Und wünscht sich ebenfalls den Tod.  Offensichtlich möchte er am liebsten den Verstand  verlieren.

Verdenken kann man es ihm ja eigentlich nicht. Es ist sicher einfacher in einem verwirrten Geist herum zu irren als sich einem Grauen zu stellen das herein gebrochen ist wie ein Vulkanausbruch und eine ganze Welt vernichtet hat. Der Amelunge, der ja außer Hildebrand alle seine Mannen verloren hat, rüffelt den König für seinen maßlosen Schmerz. Schließlich habe er noch genügend Männer an die er Land vergeben könne - ist ja nun auch einiges davon frei geworden - und ihn und Hildebrand habe er auch noch. Er dagegen habe gar nix mehr.

Frau und Kind auf grauenvolle Weise zu verlieren sind  offenbar nur Läppereien.

Hildebrand denkt sehr pragmatisch und rät seinem Herrn das Land zu verlassen, in dem offenbar nichts mehr zu holen ist. Zuvor solle man allerdings die wertvollen Waffen der gefallenen Krieger reinigen und wohl verwahren. Kann man schließlich noch gebrauchen.

Etzel - anscheinend doch noch nicht ganz wirr - befiehlt Rüdegers Waffen, seine Rüstung und sein Pferd nach Bechelarn zu schicken und des weiteren Boten an den Rhein. Schwämmel soll sie anführen. Er kennt den Weg und hat schließlich auch noch beide Hände. Weder Brunhild - da taucht sie wieder auf - noch Frau Ute sollen für das Leid büßen, dass die Burgunder über ihn gebracht haben. Aber er  selbst sei auch total unschuldig. 

Nun ja. Ist er ja auch.

Dem armen Schwämmel wird etwas blümerant bei der Vorstellung derartige Botschaften überbringen zu müssen und fürchtet um seinen Kopf.

Dietrich hat die famose Idee das ganze Ungemach geheim zu halten und eine schwachsinnige Story zu erfinden, dass der Markgraf aufgehalten worden sei. Nun - so kann man es ja auch sehen. Wer das glauben soll, wenn Rüstung, Pferd und Waffen vorausgeschickt werden bleibt unklar.

Tut auch keiner und das ganze Drama geht herum wie ein Lauffeuer und hat entsprechende Folgen.  Bechelarn hat es zwar offenbar noch nicht  erreicht, aber den Damen schwant Böses als sie die Ankunft der Boten beobachten, denn es gibt weder Gesang noch frohe Rufe.  Außerdem haben Rüdegers Gattin und Tochter übel geträumt. Dennoch lügt Schwämmel, gemäß seinem Befehl, den beiden Frauen die Hucke voll. Aber Töchterlein Dietlind - das Küken hat inzwischen von Kuno Justus freundlicherweise einen Namen erhalten - unkt ahnungsschwer dass der Vater sicher tot sei. Kaum ausgesprochen platzt einer der Knappen laut heulend mit der Wahrheit heraus, worauf die ganze Mannschaft in Tränen ausbricht, und Schwämmel Farbe bekennen muss.

Nun ergießt sich der Klagetsunami auch über Rüdegers friedliche Burg. Die Mutter bricht schreiend zusammen, die Tochter fällt in Ohnmacht, und beide werden, zwecks Wiederbelebung, mit Wasser besprengt. Gotelind schreit anschließend unaufhörlich weiter und begibt sich wenig später zu ihrem Gatten ans Himmelstor.

Zurück bleibt Dietlind, das Küken. Eine echte Waisenseele.

Vater tot, Mutter tot, Krone weg weil Bräutigam auch tot.

Dass dieser sie noch kurz vor seinem Ableben ohne mit der Wimper zu zucken abserviert hat erfährt sie glücklicherweise nicht und hat daher noch den zweifelhaften Trost sich ein Heldengemälde zu malen und an einen Liebsten zu erinnern, den sie gar nicht hatte und den es so auch nie gegeben hat.

 

Denn Giselher war nur unwesentlich weniger jämmerlich als seine Brüder. 


Und nun auf nach Burgund - nein Halt: zunächst nach Passau, wo Bischof Pilgrim residiert, Frau Utes sakraler Bruder. Und die Klagewelle folgt den Boten auf dem Fuße, denn auch der Kirchenmann vergießt bittere Tränen und hadert sowohl mit dem Schicksal als auch mit dem Allmächtigen. Pflichtschuldig jammert der Hofstaat mit ihm, bis der Bischof anordnet damit aufzuhören und lieber eine Messe zu singen. Denn schließlich würde kein Geheule die Toten zurückbringen. Und außerdem seien die Neffen selbst schuld, jawohl!

Hass und Neid hätten all dies ebenso verursacht wie ihre Gier nach dem Gold der Nibelungen, und hätte Kriemhild Gernot und Giselher verschont, so hätte er ihr nichts vorzuwerfen. (Nun Euer Exzellenz - versucht hat sie das ja...)

Und Hagen verdammt er, höchst unchristlich sein geistliches Gewand missachtend, in Grund und Boden und bedauert, dass seine Mutter ihn je geboren habe! Scharfer Tobak für seine Ehrwürden...

Schwämmel möge seiner Schwester ausrichten, sie solle nicht klagen, denn die Jungs wären auch daheim gestorben. Und man muss die Toten ziehen lassen.

????

Sicher, aber vermutlich wären sie wesentlich später verblichen und dass die brüderlichen Worte ein Trost für Frau Ute sind muss wohl bezweifelt werden.

Wichtig sei nun, so Hochwürden, sich um den Jungen zu kümmern, den Erben des Thrones von Burgund. 

Richtig. Den gibt es ja auch noch, den Spross der Walküre und der Obernull. Siegfried heißt er - peinlicherweise - und ein Kind ist er auch nicht mehr, sondern müsste längst die 20 hinter sich gelassen haben und allmählich auf die 30 zu marschieren. Aber Kuno Justus schert sich um Zahlen so wenig wie Hans Ulrich und nennt den Thronerben stur  "kint", das nun auf den Thron vorbereitet werden muss. Hat Brunhild aber garantiert schon längst erledigt, sollte man meinen. Kuno Justus kümmert sich nicht weiter um ihn, also stelle ich mal die hoffnungsvolle These auf, dass der Junge alles von seiner Mutter und nichts von der Obernull geerbt hat - inklusive Schönheit.

 


Nun soll er für den Thron bereit gemacht werden - auf dem bislang Brunhild sitzt.

Schließlich ist sie nicht nur das Anhängsel eines Königs sondern war - und ist eigentlich immer noch - Königin eines eigenen Reiches, also genau genommen die geeignetste Person den Jungen auf das Amt des Königs vorzubereiten - eines hoffentlich besseren Königs als sein Vater je gewesen ist.

Aber das sind Vorstellungen, die 

 

Kuno Justus, obgleich er den Frauen durchaus eine gewisse Achtung entgegenbringt, gar nicht in den Sinn kommen.

Ich finde auch, dass Dietlind, die Kükenbraut, die des Gatten und der Krone verlustig gegangen ist, eine durchaus geeignete Gemahlin für den Erben sein könnte, denn die Aussichten des armen Mädchens sind, wie wir noch sehen werden, äußerst trübe. Aber  ich bin  eben 800 Jahre zu spät dran...


Die Boten ziehen also weiter Richtung Rhein und es bleibt nicht aus, dass sie die Herrschaftsgebiete durchqueren, durch die auch die Burgunder gezogen sind. Bayern zum Beispiel, wo man noch nicht vergessen hat, dass Hagen hier den Balmung  kreisen ließ um sich schon mal warm zu laufen, und dass des Markgrafen Fährmann, sein Bruder und noch weitere 80 Männer durch ihn zu Tode gekommen waren. 

Auch hier gibt es keine Worte der Verzeihung und christlicher Nächstenliebe, sondern der Bayernfürst dankt Gott im Himmel dass Hagen endlich ausgewütet hat. Die Boten lässt er aber ungeschoren weiter ziehen, wofür Schwämmel besagtem Herrn im Himmel sicherlich ebenso von Herzen dankbar ist.

Als sie Worms erreichen erkennt sie mal wieder niemand, wohl aber die Pferde und die Rüstungen der Könige. Dass sich darob große Freude erhebt ist etwas befremdlich, denn dass keiner der drei Nullen im Sattel sitzt ist wohl kaum zu übersehen. 

Der Königin wird die Ankunft gemeldet, was sie huldvoll und etwas erstaunt zur Kenntnis nimmt. Schließlich hat ihr Gatte keine Botschaft seiner nahen Ankunft an sie gesandt. Schwämmel verlangt vorsichtshalber die Zusicherung dass ihm kein Nachteil entstehen solle, wenn er seine Nachricht kundgetan habe. 

Damit ist eigentlich alles klar und selbstredend geht auch hier die große Klage los. Kuno Justus ist höflich genug der Königin ebenso großen Schmerz zuzugestehen wie den Damen in Bechelarn. Er weiß, ebenso wie Brunhild, die Form zu wahren und die verlangt eben Kummer zu demonstrieren. Dabei ist sie doch endlich den ungeliebten Gatten los, den sie nie wollte und daher gewinnt sie auch bewundernswert  rasch die Fassung wieder.

Ansonsten klagt man in der Stadt ganze drei Tage, nur die Narren jammern noch länger. Die Klugen, so berichtet der Dichter, mäßigen sich, vor allem als die Vasallen eintreffen um das weitere Vorgehen zu beraten und den Jungen  zum König zu krönen.

Frau Ute, die vormalige Königin, die sich, nach der unseligen Abreise ihrer Söhne, ins Kloster  zurückgezogen hatte - ein üblicher Feierabendsitz für ausrangierte Königinnen - stirbt, wie bald auch Gotelind, an schierem Herzeleid.

Ein Schicksal dass ihrer Schwiegertochter mit Sicherheit nicht widerfahren dürfte - weder der Herzschmerz noch das Kloster.

Sie ist ein gänzlich anderes Kaliber und geradezu der Prototyp einer lustigen Witwe.

 

Und sie ist letztlich die einzige Siegerin.


Steilvorlage für sie war übrigens - um 550 - eine Merowingerkönigin gleichen Namens, die überaus tatkräftig die Macht ergriffen hatte. Sie war- in erster Ehe- mit dem Merowingerkönig Sigibert verheiratet und sogar einen Zickenkrieg mit fatalen Folgen gab es. Und jede Menge Mord und Totschlag.  Nur erlitt diese Königin im hohen Alter einen äußerst schmählichen Tod, was wir Brunhild ja gewiss nicht wünschen. Sie wurde von Pferden zu Tode geschleift.

Raue Sitten waren das damals.  https://de.wikipedia.org/wiki/Brunichild 

 

 

"Weh dem Land, dessen König ein Kind ist"...  der Spruch aus dem Kohelet  scheint keinem der Gefolgsleute bekannt zu sein.  Dass Brunhild durchaus befähigt wäre ein Reich zu führen kommt  niemandem in den Sinn.

Es muss ein Mann sein. Also schlägt man den Jungen zum Ritter und stülpt ihm die Krone aufs Haupt.

Und flugs ist er plötzlich ein junger Mann, der an seine erfreuten Vasallen Lehen vergibt!

Die Dichter wissen aber auch nicht was sie wollen!

 

Aber der Hof und das Gefolge und überhaupt das ganze Volk  hat wieder große Freude und feiert ein großes, prunkvolles Fest.

 

Der König ist tot, es lebe der König...

 

Und Schwämmel macht sich, nach getaner Arbeit, zurück auf den Weg ins Hunnenreich. 

 

Dort herrscht allerdings keine Freude sondern nach wie vor tiefster Trübsinn.


Herr von Bern ist dabei seine Koffer zu packen und sich aus dem Staub zu machen. In dieser Elendsburg ist für ihn nichts mehr zu holen. Er will in seine Heimat zurück. Aber hoppla? Daraus wurde er doch von seinem Onkel Ermenrich vertrieben, und hat dank der Güte Etzels Asyl bei ihm gefunden; die er auch nicht aufkündigte, als die beiden Söhne von seiner ersten Frau in einer Schlacht zu Tode kamen, in der Herr Dietrich sein Reich zurück erobern wollte. Denn der gute Oheim hatte ihn buchstäblich mit nichts vors Stadttor gesetzt. Es waren also Etzels Krieger die für ihn in den Kampf zogen! Und die damals noch lebende Königin gab ihm sogar ihre Nichte Herrat zur Frau, samt einer reichlichen Mitgift!

Das hört sich nach einem ziemlichen Schuldenberg an, sollte man meinen...

Das ist dem edlen Amelungen aber offenbar ziemlich piepe. Er packt seine Siebensachen und Frau Herrat grabscht alles zusammen, was sie von ihrer Mitgift so eben greifen kann. Es handelt sich dabei immerhin  um  80.000 Mark, wie Kuno Justus mitteilt, also schon ein reichlicher Zehrpfennig für unterwegs. 

Dass Etzel sie anfleht zu bleiben und an ihre Treue erinnert interessiert keinen der drei, denn auch Hildebrand will schließlich schon seit der Katastrophe Fersengeld geben. Also ziehen sie ab.

Etzel bleibt in den Trümmern seines Lebens zurück und begibt sich in den Wahnsinn. 


Kuno Justus beschreibt ein erschütterndes Szenario: er fällt wie tot zu Boden, ist nicht hier und ist nicht dort, ist nicht tot und lebt nicht. Er dämmert dahin - wie lange weiß der Dichter nicht zu sagen. Er, der groß und mächtig war, bleibt unbeachtet liegen und niemand kümmert sich um ihn. Ob er sich jemals wieder erholt hat ist nicht bekannt. 

 

Mein Name ist Ozymandias, aller Könige König:

Seht meine Werke, ihr Mächtigen, und  verzweifelt.

Nichts weiter blieb. Ein Bild von düsterem Grame,

Dehnt um die Trümmer  sich, endlos, kahl, und eintönig...

https://de.wikipedia.org/wiki/Ozymandias

Dietrich, Hildebrand und Herrat reisen frohgemut  davon. Zunächst Richtung Bechelarn, denn man will kondolieren.

Dass gleich zwei Tote zu betrauern sind, von denen der eine auf dem Schlachtfeld der Etzelburg geblieben ist, wird ihnen bei ihrer Ankunft von dem jungen Mädchen eröffnet, dass nun allein ist. 

Ihre Mutter ist vor drei Tagen vor Gram gestorben. 

Und sie weiß nicht was aus ihr werden soll. 

Dietrich spricht ihr Mut zu. Und verspricht ihr ein paar goldene Berge, die sich vermutlich ohne Umschweife als sandige Maulwurfshügel erweisen werden. Aber Worte kosten nichts und sie gehen ihm leicht von den Lippen.

Sollte er je sein Leid überwinden und in sein Land zurück kehren, dann sei er fest entschlossen seine Patentochter - die ist sie offensichtlich, wie wir jetzt erfahren -  von allem Schmerz und Kummer zu befreien. Und sollte er noch eine Weile leben dann wolle er ihr einen Mann besorgen, der mit ihr in ihren Ländereien leben und sie regieren solle. 

Sollte er je... und sollte er noch... falls und wenn und aber... auf diese Zusicherungen ist kein Pfifferling zu geben, doch mehr bekommt sie nicht. Das einzige was sie wirklich hat sind die Burg und das Lehen, weil beides von Etzel zugesichert wurde.  Und damit soll sie nun allein klar kommen. 

Und damit macht sich der edle Herr von Bern, samt Waffenmeister, Weib und Zehrpfennig aus dem Staub, ein zitterndes, unerfahrenes Mädchen, das er freundlicherweise zuvor  noch der Obhut der Vasallen ihres Vater überantwortet hat, zurücklassend. Kuno Justus erklärt begütigend, dass man später für sie sorgte und ihr niemand etwas angetan hätte. Und dass sie in Geduld darauf wartete dass der Berner seine Versprechen einlösen würde. 

Nun - er will ein freundliches Ende nach all dem Grauen und keine weiteren Untaten beschreiben. Denn er muss gewusst haben, welches Schicksal der Kükenbraut mit großer Wahrscheinlichkeit bevorstand.

Einer der Vasallen wird sie sich, samt dem profitablen Lehen, unter den Nagel gerissen haben. Vielleicht hat er sie sogar am Leben gelassen und geehelicht. Dann hätte man in der Tat für sie "gesorgt". Geschert hätte sich niemand darum, denn die Zentralgewalt in Gran sitzt im Tollhaus oder in einer Felsenhöhle, ist tot oder hat sich in Luft aufgelöst; sie ist auf jeden Fall nicht mehr da um Witwen und Waisen zu schützen.

 

Und nur Kuno Justus hört nicht auf sich zu fragen, was aus ihm geworden ist, dem mächtigen König Etzel.

Sonst niemand.

Das heißt - da ist ja noch Hochwürden, der Bischof von Passau, Onkel Pilgrim, der von Spielmann Schwämmel akkurat über die Geschehnisse unterrichtet wurde, zuzusagen aus erster Hand, denn der fidelaere war schließlich dabei. Von Anfang bis Ende. 

Also beauftragt Exzellenz seinen Schreiber, den Meister Konrad, die Mär zu Pergament zu bringen, in lateinischer Sprache.

Von Passau aus geht sie durch die Lande und wird alsbald viele Male in deutscher Sprache nachgedichtet. 

Wer jemals stille Post gespielt hat weiß was da unter Umständen zum Schluss herauskommt - und schließlich hat es ja genügend Anleihen in alten Sagen gegeben, um eventuelle Lücken aufzupolstern.

 

 

Und dennoch hat sie die Jahrhunderte überdauert, die Mär aus alten Tagen, als man noch Lieder sang und Geschichten erzählte, und sie weiter gab, an die vielen Generationen die später kamen.