Schattenseiten...

Jeder kommt auf seine Weise zum Tierschutz und jeder wohl auch aus eigenen Gründen.

 

Vor 68 Jahren wurde ein vierjähriges Kind von seinem Stiefvater mit dem Rohrstock verdroschen – weil es sein Taschentuch verloren  hatte. Die Mutter des Kindes – obgleich offenbar erschrocken – kommentierte dies dem Ehemann gegenüber mit tadelndem Blick und einer vorwurfsvollen Bemerkung.

Die Male dieser erzieherischen Handlung waren auf dem Hintern und den Beinen wohl tagelang zu sehen - oder wären es gewesen, hätte jemand hingeschaut.

 

Die Erfahrung die dem Kind sein Leben lang blieb, lautete: ich weiß nicht, was ich getan habe um das zu verdienen. Ich kann mich nicht wehren und niemand hilft mir. Ich bin schutzlos, und mein Weinen bleibt ungehört.


Es hätte natürlich die Möglichkeit gegeben daraufhin später kriminell zu werden, als Serienkiller seinerseits Schwächere zu malträtieren, eine Laufbahn als  Pyromane oder wenigstens Kleptomane  einzuschlagen.

Das Kind wurde stattdessen Pädagoge. Nicht um seinerseits den Rohrstock schwingen zu können sondern um die anzuhören, denen sonst niemand zuhörte. (Die Psychologie nennt das: eine Mission erfüllen…)(Klugscheißmodus aus.)

 

Noch später – aber wohl folgerichtig - wurde es Tierschützer. Und Schreiberling.

Um denen eine Stimme zu geben, die keine haben.

 

Steht ja so auch in der Bibel: Tue den Mund auf für die Stummen und führe die Sache derer, die verlassen sind. (Sprüche Salomon 31,8)

Damals – vor inzwischen mehr als 21 Jahren -  dachte das Kind – das schon sehr lange kein Kind und auch nicht mehr besonders wehrlos war – noch, es befände sich in einem Strom voller Gleichgesinnter, die alle einem gleichen, guten Ziel entgegen schwimmen, um den Verlassensten unter den Verlassenen dieser Welt beizustehen, zu helfen und zu retten, wo zu helfen und zu retten nur möglich war.

 

Das alte Kind war – trotz erheblicher, beutelnder Lebenserfahrungen, die nun mal nicht ausbleiben -  immer noch relativ gutgläubig. Oder optimistisch.

Dass die Welt zwar schön, aber der Mensch bei weitem nicht immer gut ist, ist schon seit Kain und Abel keine Neuigkeit; offensichtlich wohnt der menschlichen Spezies ein unausrottbarer Drang inne seinem Bruder eins über den Schädel zu geben.

Aber dass dem alten Kind diese unbestreitbare und betrauernsvolle Tatsache ausgerechnet im Tierschutz so derbe um die Ohren fliegen würde, traf es doch etwas unvorbereitet.

Da gibt es Intrigen die jeden Machiavell vor Neid erblassen ließen; das Internet wird zur Plattform für jede Beleidigung, Diffamierung, Anschuldigung, Verdächtigung und Anklage – Beweise? Die verwirren nur. Es gehen „Schwarze Listen“ herum, wo Namen, Wohnorte, Mailadressen genannt werden für Vergehen die zum Beispiel darin bestehen, dass jemand für seine alte Mutter einen Hund haben will! Oder es gibt erst gar keine Begründung.

Ganze Vereine werden in den Dreck gezogen und systematisch diskriminiert – mit beängstigenden Folgen für Mensch und Tier. Da werden Anwälte eingeschaltet um von anderen Tierschützern „Schmerzensgelder“ einzufordern – in nicht unbeträchtlicher Höhe.

Es scheint der blanke Krieg zwischen Menschen zu herrschen, die doch - eigentlich - das gleiche Ziel verfolgen.

Eigentlich – denn danach sieht es wirklich nicht aus.

 

Ich sprach mit Menschen, die am Ende waren, die aufgeben wollten weil sie der Schlammlawine die auf sie zurollte nicht mehr gewachsen waren.

Und dann?

Dann überließen wir das Feld denen, deren ethische Grundsätze sich offenbar auf  Maxime begründen, die da lauten könnten:

§1 Ich habe Recht.

§2 Ich habe immer Recht.

§3 Ich bin gut, und darum habe ich Recht.

§4 Und dass ich gut bin und Recht habe erlaubt mir, die anderen, die nicht gut sind, weil sie nicht Recht haben, zu verfolgen und möglichst aus dem Verkehr zu ziehen. Basta.

 

Wollen wir das?

Ich wollte es nicht. 

Es gibt soviel Schatten. Aber doch auch ganz viel Licht…

 

Ich erinnere mich an so viel Licht in diesen  Jahren, an so viel Hilfe und bereitwillige Opferung von persönlicher Freiheit, an die grenzenlose Bereitschaft auch in das tiefste Elend zu steigen um die Seelchen zu retten, die sich selbst nicht retten können, an Solidarität wenn eine „Wildgans“ zu Boden ging – zählt das etwa  nicht?

Doch, es zählt.

Und dennoch sind die weißen Tauben müde.

Das alte Kind ist es auch.

 

Ist Frieden möglich? Allgemein und global und überhaupt?

Keine Ahnung. Köpfe ein- bzw. abschlagen und mit schweren Waffen rumzuspielen scheint ein Riesenspaß zu sein.

 

Irgendwann traf es mich direkt.

Selbsternannte Tierschützer  hatten mich angezeigt. Vor einigen Jahren. Und  Schmerzensgeld verlangt. Wegen einer angeblichen Namensnennung, die es nie gegeben hat.

Vielleicht fühlten sich die Anzeigenden ja tatsächlich in ihrer Ehre verletzt und wollten die "Kränkung" auf diese Weise lindern. Da sie zuvor bereits von einer anderen Tierschützerin wegen ähnlichen Vergehens eine Summe verlangt – (und bekommen) – hatten, scheint eine Linderung allerdings nicht unbedingt erfolgt zu sein und die Motivation eventuell eine ganz andere und vielleicht weitaus weniger ehrenhafte...

 

Welche Gründe auch immer die Triebfeder dieses Verhaltens war - ungewöhnlich ist sie offenbar nicht, wie ich mich zwischenzeitlich belehren lassen musste.

"Dass Du Dich wehren musst, wenn Du nicht untergehen willst, das wirst Du doch einsehen." Sagte Bert Brecht. 

Und er hatte wohl leider Recht.

Ich wollte zwar Frieden, aber ich war sicher dass ich ihn nicht mit Kleinbeigeben erreichen würde. 

 

Also habe ich es ausgefochten. In einem zweijährigen Rechtsstreit, der mich Nerven, Geld und fast alle Illusionen gekostet hat.

Und den Mut weiter zu machen.

Gewonnen habe ich ihn.

 Aber...

"Das größte Unglück ist eine verlorene Schlacht, das zweitgrößte eine gewonnene."

Sagte der Duke of Wellington nach Waterloo. Der sollte es gewusst haben.

Schlachten kann man wohl nur verlieren.

 

Nach fast 21 Jahren habe ich mich aus dem Tierschutz zurück gezogen und die Fackel an die nächste Generation weiter gereicht. Hoffe ich jedenfalls. 

Ich erinnere mich noch an den Kampfgeist der früheren Jahre -  aber ich finde ihn nicht mehr.

 

Die treuesten Weggefährten - die auf vier Pfoten - sind alle vorausgegangen.

Und warten da vielleicht.