Treue und Kraft - Fido und Sila und die Erinnerung an Losenetz

Das dunkle Lied von Losenetz

 

Das Areal ist von hohen Bäumen umgeben, von Kiefern und immergrünen Tannen  ebenso wie von Laubbäumen, die dünne, kahle Zweige über die  2.40 m hohe Metallwand fallen lassen, die, nach innen kragend und mit Stacheldraht versehen, das Gelände uneinsehbar umschließt.  Die stärkeren Äste der Bäume sind abgesägt, um unerwünschten Besuchern die Möglichkeit zu nehmen Film-oder Fotoaufnahmen vom Inneren der Anlage zu machen – obgleich dort nichts zu sehen wäre, außer den geparkten Autos der Angestellten, denn die Sicht auf die wenigen Außenzwinger ist durch eine weitere Metallwand versperrt. Die, deren letzte Station im Leben dieses Gelände ist, sind eingesperrt in einer 200 qm großen Halle, in Käfigen  der Größe 0,65 x 1,45, zur Hälfte gemauert, darüber vergittert, und in den sechs Zwingern, die sich an der Außenwand des Gebäudes befinden.

Das große grüne Tor ist verschlossen und bietet keinen Einblick in das Innere;  und ein Schild weist unwillkommene Besucher darauf hin, dass im Ernstfall von der Schusswaffe Gebrauch gemacht  wird – als gälte es eine militärische Schutzzone zu verteidigen. Aber was hier auf das unzugänglichste bewacht wird ist ein Ort des Elends und der Verdammnis – und verdammt sind die Seelen der Menschen die hier eine schmutzige Arbeit verrichten.

15.April 2006

Die Sonne scheint als ich zum ersten Mal Losenetz betrete.

Das Gelände liegt so versteckt, dass es nicht einmal der Taxifahrer findet; man muss den Weg kennen und beschreiben. Dennoch meutert der Fahrer als er in den Wald hineingelotst wird, in einen Weg, der allenfalls die Bezeichnung „Trampelpfad“ verdient und  unfreundlich zu jedem Stoßdämpfer zu werden verspricht, um dann, nach etlichen Windungen und herabhängenden, die Windschutzscheibe peitschenden Zweigen, urplötzlich vor einem grünen Tor zu enden.

Vor diesem grünen Tor.

Das Areal, das hinter diesem Tor liegt, umgeben von einer über zwei Meter hohen, nach innen kragenden  Metallwand, ist uneinsehbar von außen und wirkt schon dadurch wie ein Hochsicherheitstrakt. Früher, so berichtet Dimitrov, habe ein Schild jeden potentiellen Angreifer gewarnt, dass von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werde – wenn was getan oder nicht befolgt werde? Er weiß es nicht, das stand da nicht, aber es war seine erste Handlung dieses Schild herunterzureißen. Man kann sich dem Tor also nähern ohne erschossen zu werden.

Der dichte Wald der die Anlage umgibt ist voll zwitscherndem Leben; ein Bächlein murmelt, verschwindet geheimnisvoll unter dem Weg und taucht auf der anderen Seite wieder auf, ein schwarzes Eichhörnchen wetzt einen Baumstamm hinauf – ein Idyll zum Herzerwärmen – wäre da nicht der gigantische und stinkende Müllberg, der linkerhand liegt und, so mutmaße ich, überwiegend aus dem Anwesen zu stammen scheint. Problem Nr.1, notiere ich im Geist, Müll abfahren lassen.

 

Aber die Sonne scheint als ich zum ersten Mal Losenetz betrete.

 

Ich stehe vor dem grünen Tor, dass ein Tor zur Hölle für weit über 200.000 Hunde war, durch das täglich die Lkw gefahren sind, beladen mit gefangenen, betäubten, verletzten, verängstigten Hunden, die dieses Tor in umgekehrter Richtung nur tot passieren konnten; offen nur für ihre Mörder, während ihre Verteidiger auf den Bäumen saßen um Fotos zu schießen, die niemand sehen wollte und weinende Frauen mit ungültigen Passierscheinen hindurch wollten, um ihre verlorenen Freunde zu suchen.

Ich bin froh dass die Sonne scheint als ich zum ersten Mal Losenetz betrete. 

Eine kleine Seitentür öffnet sich um zwei Pandabären hinaus zu lassen - zumindest sehen sie so aus. Maika Sofia, eine möglicherweise reinrassige  Landseerhündin – die eigentlich „Dantsche“ heißt, wie ich inzwischen erfahren habe,  aber den neuen Namen wird sie nun symbolisch tragen, denn schließlich beginnt auch für sie ein neues Leben – Maika Sofia also ist ein gewichtiger Teddybär in schwarz-weißer Kuhfärbung, noch um einiges überragt von Ehemann Mischo, der sich brummend und mit heiserem „hau-hau-hau“ heran schiebt, um sich kraulen zu lassen. Das sind also die beiden die hier leben und für Welpennachwuchs sorgen durften, die Eltern der Welpen, die wenige Tage vor der Übernahme dieses fluchbeladenen Ortes, an eben diesem Ort, das Licht der Welt erblickt haben.

Mischo lebt seit vielen Jahren hier; angeblich soll er bei der Inbetriebnahme des Isolators vor 14 Jahren als kleiner Welpe schon da gewesen sein. Welcher glückliche Umstand ihm das Leben rettete weiß niemand mehr. Aber seither ist er das Maskottchen der Wachleute, die in einem Kabuff neben dem Eingang noch immer ihren Dienst versehen.

Er ist ein alter Bursche, mit dickem, verzotteltem Fell – ein Bobtail? - der schon viel gesehen hat – und als ich ihn betrachte frage ich  mich, was er alles gesehen hat.

Die Lkw, die wöchentlich diesen Ort verlassen haben, beladen mit den Leichen seiner Artgenossen? Die Transporter, die täglich zum Tor hereinkamen, verängstigte Hunde, die mit Schaufeln und Stangen aus dem Fond gestoßen, wimmernde Welpen, die aus einem Meter Höhe heruntergeworfen wurden?

Was hat er gehört in all diesen Jahren? Schmerzensschreie, Todesschreie, die Schreie unerträglicher Qual und Angst, wenn diese gottverlassenen Sadisten dort in diesem Gebäude, hinter diesen Mauern,  ihre Massaker verübt haben?

Ich durchfurche den schmutzigen, strubbeligen Pelz, in welchem vermutlich dreißig Millionen Flöhe hausen; er reckt mir brummend seinen dicken Kopf entgegen und ich sehe in seine alten guten Augen, die alles gesehen haben in diesen 14 Jahren, kraule seine plüschigen Ohren, die alles gehört haben in diesen 14 Jahren; und für einen Augenblick hilft mir auch die Sonne nicht mehr, weil ich sie nicht mehr sehen kann, solange ich die Welt mit seinen Augen sehe. Und weil diese Welt so entsetzlich dunkel und so voller Angst ist.

„Es wird hell hier werden, Mischo“, murmele ich und meine Stimme schwankt. „Ich versprech’s dir. Ich hab ganz viel Licht mitgebracht. Gute Seelen haben es mir für euch mitgegeben.“

Und dann öffnet sich das grüne Tor und ich betrete Losenetz.

Außer diesen beiden befindet sich kein Hund auf dem Gelände, aber etwa 20 Meter vor mir sehe ich einen Zaun und dahinter – durch eine weitere Metallwand nahezu verdeckt und daher ziemlich im Dunkel – erkenne ich etliche Zwinger in denen sich Hunde befinden - einer davon lautstark und anhaltend kläffend; offensichtlich hat er einiges mitzuteilen. Ansonsten ist der Platz öd und leer, bis auf einen Container der mittendrin steht. Zur rechten Hand befindet sich eine Art Überdachung aus Wellblech – hier könnten Hütten aufgestellt werden, die vor Wind und Wetter einigermaßen geschützt wären; rechts an das Gebäude angrenzend steht eine Art verlotterte Wand aus Blech, mit einem weiteren grünen Tor darin.

Das Gebäude macht einen verwahrlosten, aber nicht unbedingt baufälligen Eindruck; viel besser haben Dobrich und Schumen auch nicht ausgesehen, und auch Rousse ist nie mehr gewesen als eine verdammte Baracke – ich bin durchaus guten Mutes, das sich hieraus etwas machen lässt.

Zumindest denke ich das, solange ich das Ganze von außen betrachte.

Es gibt zwei Türen nach innen, die erste führt in zwei Räume, jeder mit angrenzendem Sanitärbereich, was heißen soll, dass es zwar eine Toilette gibt, die sich aber in einem Zustand befindet, der mich beschließen lässt, sie auf gar keinen Fall aufzusuchen. Die andere Nasszelle hat vermutlich mal sowohl WC als auch Waschbecken beherbergt. Jetzt sind nur noch Krater in Wand und Boden zu sehen. Auch die übrigen Räumlichkeiten zeigen an, dass hier alles herausgerissen wurde, was nicht niet -und nagelfest war – aber selbst Nägel befinden sich nicht mehr in den Wänden. „Nägel!“ notiere ich im Kopf. Ich will wenigstens meine Jacke aufhängen können.

Es gibt keine Heizkörper mehr, von der Decke baumelt eine trübselige Glühbirne, und ich bin froh die Lichtschalter, die mehr oder weniger auf halb sieben hängen, nicht berühren zu müssen – es ist hell genug. Der Putz bröckelt großflächig von den Wänden und der PVC -Belag ist voll ebenso großflächiger Löcher und krümmt sich an allen Ecken und Kanten – herrlich zum Stolpern. Egal, das wird alles gefliest, wir haben ein großherziges Angebot der Firma Topgres, die alle erforderlichen Fliesen, für das gesamte Gebäude, plus der Außenzwinger, spenden will.

Dass uns allerdings allein der Arbeitslohn umbringen wird, weiß ich in diesem Augenblick glücklicherweise noch nicht.

 

Die zweite Tür – um einiges größer – führt in den ehemaligen Vernichtungsbereich. 

Dies ist der Vorraum; hier rechts geht es in den Operationsraum, bei dessen Anblick mich fast der Schlag trifft. Dicke Kabel hängen ebenso lose herunter wie die Hälfte der Deckenverkleidung. Aus dem Gebälk rieselt der Schmutz, fällt in das marode Waschbecken und weiter auf den Fußboden, während der Putz großflächig von der Wand  blättert, die auf 1,50 hoch gefliest ist. Unter dem Fenster prangt ein Loch, wo vermutlich der Heizkörper herausgerissen wurde, der ebenso fehlt wie ein Operationstisch oder ein Medikamentenschrank. Lediglich an der Decke baumelt – abenteuerlich – eine Neonröhre.

Hier muss eine komplette neue Zwischendecke eingezogen werden, vorher ist an Kastrationen, oder auch nur das Verbinden einer Hundepfote, überhaupt nicht zu denken. Vermutlich rennen da oben die Mäuse in ganzen Scharen herum. Ratten womöglich auch.

Wieder hinaus in den Vorraum; eine Eisentür. Drei Meter weiter eine weitere Eisentür. Beide führen in die Halle, die ich bislang nur aus Fotos kenne.

 

Und das da hinten, diese rote Tür, das ist die Gefrierkammer.

(Die Berichte der jungen Mediatoren, die seit 2003 regelmäßig in der Station hospitierten, in der Hoffnung wenigstens die schlimmsten Gräueltaten verhindern zu können, erspare ich diesem Bericht. In meinem Buch sind sie zu lesen.)

Und dann stehe ich in der ersten Halle, die, geteilt durch eine Zwischenwand, eine lange Reihe gemauerter Käfige aufweist, auch diese wiederum geteilt durch einen schmalen Gang. Da sind sie, die Todeszellen, winzig klein, vollständig vergittert, feucht und stinkend – mein Gott, so entsetzlich stinkend! Warum stinkt es hier immer noch, hier sind doch gar keine Hunde mehr? Zumindest sollten hier keine mehr sein, aber ich sehe gleich drei, separat eingesperrt. Da steht ein voller Eimer Wasser ganz wie in alten Zeiten,  da liegt zermatschtes Brot neben zermatschtem Trockenfutter, da steht ein kleiner Terrier-Mix, mit einer auffälligen Gesichtsmaske und drückt hoffnungsvoll die Schnauze durch die Gitterstäbe; zwei Käfige weiter ein Dobermann-Mix, klapperdürr, ebenso verzweifelt winselnd, noch weiter ein total verfilztes, struppiges Etwas, dass auf einem durchnässten und bekoteten Lappen liegt – vermutlich war das mal ein Bett-Tuch – für einen Augenblick denke ich mich in der Zeit geirrt zu haben. Warum sind diese Tiere hier noch eingesperrt, fast zwei Wochen nach Übernahme der Station, warum sieht das hier so verdreckt aus, warum liegen die Tiere auf nacktem Beton, warum das Futter einfach auf dem Boden? 

Ich wende mich an Strafka, (sie und ihr Mann sind Obdachlose, die für die derzeitige Betreuung der Hunde eingesetzt wurden) die mich begleitet, deute auf die Hunde, sie hebt – eine offenbar ganz typische Geste für sie, wie nahezu für alle Bulgaren, ich erinnere mich, dass mich das schon einmal zur Verzweiflung gebracht hat – die Achseln, erklärt: „Aggressiva!“ und deutet auf den Dobermann, zeigt auf den Terrier und meint: „Parainfluenza“ womit, wie ich später erfahre, Zwingerhusten gemeint ist, fügt zur weiteren Erläuterung hinzu: „Doktore!“ was wohl heißen soll, dass der Tierarzt das angeordnet hat.

 

Ich starre sie einen Augenblick an, dann marschiere ich weiter, diesen dunklen, höllischen Gang entlang, erreiche das Ende der Mauer, eine  weitere Gittertür , dahinter die zweite Halle, darin noch mehr von diesen Käfigen, darin noch mehr Hunde, verdreckt, in ihrem eigenen Urin, ihrem Kot, dazwischen verknüllte Laken oder Decken, die in diesem nassen, stinkenden Dreck liegen, regelrechte Lachen haben sich hier gebildet, in denen das Futter schwimmt – und da werde ich leider rasend, richtiggehend rasend. Wäre ich ein Hund, würden mich diese Leute, denen hier die Betreuung der Tiere obliegt und die darunter offensichtlich nur verstehen, dass sie nicht mehr umgebracht werden und jeder einzelne etwas zu fressen bekommt,  vermutlich sofort als „aggressiva“ in den nächsten freien Käfig sperren – aber zum Glück für mich bin ich kein Hund. Und es gibt auch keinen freien Käfig.

Eine wuchtige Eisentür führt nach draußen, in ein ausreichend großes Gelände, in dem zwar ein Haufen Gerümpel herumliegt, aber da ist auch Licht und Sonne, und ich reiße sie auf, diese Eisentür, wende mich zu Strafka und sage ihr, dass sie die Käfige öffnen soll. Sie versteht mich genau, aber sie erhebt Einwände, begreift erst ein paar Sekunden zu spät, dass mir in Augenblicken wie diesen besser niemand widersprechen sollte.

 

Sie springt zurück als ich auf sie losmarschiere, aber ich will nur an die Käfige, zerre an den Riegeln, die die Türen verrammeln, zerre und reiße, sie sind eingerostet, wann, verdammt noch eins, wurden die das letzte Mal geöffnet oder bin ich nur zu dämlich? - ein langer, dünner Mensch erscheint – der Doktore offenkundig – hinter ihm Dimitrov. Strafka fängt an zu reden, der Doktore redet auch und ich reiße die erste Zellentür auf und fauche: „Die Hunde hier raus! Sofort!!!“ 

Dimitrov, der ungläubig die vollbesetzten Käfige ansieht, übersetzt die Anweisung, aber die beiden haben mich ohnehin verstanden und öffnen widerstrebend und offensichtlich völlig verständnislos die Gitter. Ich sehe ihnen an, dass sie erwarten, dass nun wilde Beißereien beginnen – diese Leute haben anscheinend nicht die geringste Ahnung, nichts, gar nichts verstehen sie von Hunden – aber die Vierbeiner drängen sich vorsichtig an ihnen vorbei, streben nach draußen, heben die Nasen in den blauen Himmel, schnuppern, laufen weiter, einige werfen sich zu Boden und wälzen sich auf jedem kleinen Stückchen Grün, das zwischen dem Müll hervorblitzt, laufen in Kreisen, ich folge ihnen; da kommen sie heran, drängen sich gegenseitig weg, wollen eine liebevolle Hand auf ihrem verkrusteten, stinkenden Fell spüren, springen an mir hoch, allen voran ein wunderschöner Rüde, mit dickem, rotem Pelz, den ich wenig später „Artos“ nennen werde, gefolgt von einem schwarzen Bärchen, offenbar noch im Babyfell, aber bereits ziemlich groß, dass sich auf die Hinterläufe setzt und den Kopf schief legt, mich treuherzig fixierend; ein Schäferhund-Mix im Miniformat – ein Mädchen das Liska heißt, wie ich später erfahre - wieselt  scheu und unsicher heran; ein kleines braunes Hungergestell, mit eingefallenen Flanken, dem der Name „Bärli“ auf dem gutmütigen Bärengesicht geschrieben steht – wie lange wart ihr so eingesperrt, mein Gott, wie lange schon?  Und was habt ihr erlebt?

Dann beäugt mich aus neugierigen Augen ein Vierbeiner, mit Ohren, die ich in dieser beeindruckenden Größe bisher nur ein einziges Mal gesehen habe – vor sieben Jahren am Goldstrand; und auch dieser Hund ist verkrüppelt. Seine gesamte Hinterhand ist eingeknickt,  so als wollte er gerade sein Geschäft erledigen. Aber es ist seine normale Fortbewegungsweise, die einzige die ihm mit dieser verkrümmten Wirbelsäule offenbar möglich ist – aber damit ist er erstaunlich behände.

Und es ist eine Hündin, mit dem frechsten und selbstbewusstesten Gesichtsausdruck, den ich je an einer Streuner- Fellnase gesehen habe. Misa war ein Underdog, wie tapfer auch immer, die sich selbst Rüden unterworfen hatte. Ein solches Verhalten würde dieser Lady hier nicht im Traum einfallen, wie sie unverzüglich unter Beweis stellt, indem sie dem roten Teddy Artos die fleckenlosen Zähne zeigt und ihn damit abdrängt, denn er weicht sofort zurück. 

 

 

Die Zeit vergeht; wir schreiben 2022, ein weiteres Jahr in dem die Welt nicht nur kein Deut besser geworden ist sondern uns auch mit einer Seuche bestraft hat, die seit drei Jahren anhält. Losenetz existiert nicht mehr, aber auch die Hunde von damals, - meine Hunde- die dort ein Zuhause gefunden hatten, sind noch vor der zweiten Vernichtung über die Brücke gegangen, in eine, wie ich hoffe, bessere Welt.

Fido und Sila konnte ich herausholen, weil eine Tierschützerin in Niedersachsen sie beide aufnahm.   

 

Fido, mein Herzenshund, kam 2008 nur deshalb aus dem Tierheim heraus, weil sich ein Zuhause für Sila gefunden hatte, seine Gefährtin – und die war behindert.

Eine Untersuchung durch einen Orthopäden in Sofia hatte ergeben, dass ihr Leiden inoperabel und sehr wahrscheinlich angeboren war; sie lief in Knickhaltung, mit verkrümmter Wirbelsäule – das aber ziemlich schnell. Ich hatte Fido herausholen wollen, davon ausgehend, dass der ausdrucksvolle, junge, gesunde und überaus intelligente Rüde eine größere Chance auf Vermittlung hatte als Sila – an der er allerdings sehr hing.Vielleicht war sie seine Mutter, wenn ich mich auch frage, wie die Hündin mit dieser Behinderung jemals hätte Welpen zur Welt bringen können – aber sie hatte mit dieser Beeinträchtigung schließlich schon mehrere Jahre auf der Straße überlebt und war alles andere als ein Underdog. Ich hatte sie „Sila“ genannt – das bulgarische Wort für „Kraft“, denn die hatte sie reichlich.

Und vielleicht war es auch einfach nur Liebe...

 

Aber Sila hat, neben ihren sonstigen unbestreitbaren charakterlichen Vorzügen, noch die riesigsten Ohren  - und niemand der dieses Gesicht mit dem Fledermauslook einmal gesehen hat, wird es je vergessen noch mit einem anderen verwechseln können.

 

 Dimitrovs - mit denen ich bereits damals überkreuz war - machten die Vermittlung Fidos von einer für Sila abhängig – (weil Fido angeblich kein Hund für Couch und Körbchen war, tatsächlich aber um mich zu ärgern) - und es war Sila die ein Zuhause fand. Fido durfte mitfahren – als vorläufige Aufnahme in einer Pflegestelle. Aber er blieb dort.

 Der Marktwert eines ausdrucksvollen, jungen, gesunden und überaus intelligenten Rüden ist offenbar weitaus geringer als der einer versehrten, älteren Hündin.

Aber vielleicht war auch dies Schicksal. Fido hätte sich vermutlich niemals von den Hundefängern, die ihn und Sila 2006 nach Losenetz in die Tötung gebracht hatten, einfangen lassen; einen intelligenteren und mit allen Wassern der Straße gewaschenen Hund habe ich nie erlebt. Aber Sila konnte ihnen nicht entkommen und vermutlich hat er sie nicht verlassen wollen.

Ich holte sie damals beide aus dem Todeszwinger und er wich nicht von ihrer Seite. Bis zuletzt nicht.

Daher sein Name – Fido, der Treue.

 

Am 21.4.2017 erhielt ich via facebook die Nachricht, dass Fido drei Wochen zuvor gestorben war.

Er hatte Darmkrebs.  

"Sila wird" - so schrieb Rita - "mich vermutlich noch überleben. Ihre Kraft scheint unerschöpflich..."

Aber sie war es nicht.

 

Fido, der Treue, der Wundervolle, hatte den Weg zu den Sternen angetreten.

Sila folgte ihm vier Jahre später, am 26.10. 2021.

Rita, die Frau die beiden Hunden 9, bzw. 13 Jahre ein wundervolles Zuhause gegeben hatte, schloss sich  ihnen kurze Zeit später an. 

 

Friede euren Seelen....und danke dass es euch gegeben hat.